WM in Katar: Schuld sind nicht die Fans
Bei aller dringend notwendigen Kritik an der Fußball-WM in Katar ist es vermessen, auf die Fans hinzuhauen, die sich das Turnier ansehen. Das Problem ist strukturell und lässt sich auch nur auf dieser Ebene lösen.
Ein Kommentar von Moritz Ettlinger
Am Sonntag startet die Fußball-WM der Männer in Katar. Es ist nicht nur die erste WM, die im europäischen Winter stattfindet, sondern wohl auch das umstrittenste Fußball-Turnier aller Zeiten. Und das soll etwas heißen, schließlich vergab der Fußball-Weltverband FIFA Weltmeisterschaften schon nach Argentinien zur Zeit der Militärdiktatur, an Spanien unter dem faschistischen Diktator Franco oder ins autokratische Russland.
Die Liste der Kritik an Katar und FIFA ist jedenfalls lang. Korruption bei der Vergabe, tausende tote Gastarbeiter*innen, Menschenrechtsverletzungen, LGBTQ-feindliche Gesetzgebung, aus dem Wüstenboden gestampfte Stadien: Über die Missstände dieser WM wurde in der vergangenen Monaten und Jahren vielfach berichtet.
Natürlich zurecht: Katar hätte im Jahr 2010 niemals den Zuschlag für dieses Turnier erhalten dürfen. Verbesserungen wurden zwar dank des Drucks von Gewerkschaften und NGOs erreicht, in der Praxis hapert es aber oft an der Umsetzung. Und dass die Vergabe von sportlichen Großevents in autoritär regierte Länder selten zu (langfristigen) Fortschritten führt, zeigt das jüngste Beispiel der Olympischen Spiele in China sehr anschaulich.
Fest steht allerdings eines: Jene Menschen, die sich in den November- und Dezemberwochen hin und wieder ein Spiel im Fernsehen anschauen, sind nicht schuld daran, dass die WM stattfindet wo sie stattfindet. Die Kritik daran muss sich in erster Linie an die FIFA richten, an die kontinentalen und nationalen Verbände, die Sponsoren dieses Events, die katarische Regierung.
Ein Boykott der Spiele ist zwar absolut legitim und vielleicht auch die beste oder zumindest einfachste Art und Weise, als Fan gegen dieses Turnier zu protestieren, niedrige Einschaltquoten wären sicherlich ein Zeichen in Richtung FIFA. Jene zu verteufeln, die den Fernseher aufdrehen, wäre aber vermessen. Das Problem, insbesondere betreffend des Weltverbands, ist strukturell und lässt sich nicht durch den Verzicht Einzelner lösen.
In der Verantwortung sind jetzt die Medien, das Geschehen auf der arabischen Halbinsel und darüber hinaus kritisch einzuordnen, über die Schattenseiten der WM auch in zeitlicher Nähe zu den Spiel-Übertragungen zu berichten und die wirklich wichtigen Themen abseits des Fußballs nicht aus den Augen zu verlieren. Dann besteht zumindest die Chance, dass katastrophale Turniere wie dieses nicht noch weiter zur Normalität werden.
Titelbild: JESHOOTS.com auf Pexels
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