Wenn Schulen schließen, springen Mütter ein
Schulen spielen eine zentrale Rolle in der Kinderbetreuung in Österreich. Das wurde besonders durch die landesweiten Schulschließungen in den Jahren 2020 und 2021 klar. Deren Auswirkungen auf die Aufteilung der dadurch entstandenen Betreuungsarbeit unterschieden sich aber stark nach Geschlecht. Mütter haben ihre wöchentlichen Arbeitsstunden stärker reduziert als Väter und kinderlose Personen. Väter hingegen haben ihre Arbeitszeit am wenigsten angepasst – sogar weniger als Männer und Frauen ohne Kinder. Frauen schulterten somit einen Großteil der zusätzlich notwendigen, unbezahlten Betreuungsarbeit.
Von Lisa Hanzl, Doktorandin am Institut für Sozioökonomie der Universität Duisburg-Essen (A&W-Blog)
Schule, Eltern, Großeltern – Wer übernimmt die Kinderbetreuung in der Pandemie?
Durch die wiederholten Schulschließungen entfiel besonders im ersten Jahr der Pandemie für Familien ein großer Teil der täglichen Kinderbetreuung. Das Infektionsrisiko verunmöglichte häufig auch informelle Betreuung durch Großeltern. Die zusätzlich anfallende Betreuungsarbeit musste verteilt werden. Nach über zwei Jahren ist aber klar, dass sich die Hoffnungen auf eine fairere Aufteilung der Kinderbetreuung nicht erfüllt haben – entgegen aller Erwartungen der „Pandemie als Chance“. In einer Studie haben Miriam Rehm und ich für Österreich untersucht, wie sich die Schulschließungen auf die bezahlte Arbeitszeit von Müttern, Vätern und Frauen und Männern ohne Kinder auswirkten.
Schulschließungen schränken die Verbreitung des Virus, aber auch Karrierechancen von Müttern ein
Im Rahmen des Austrian Corona Panel Projects (ACPP), welches monatlich rund 1.500 Personen zu Themen rund um die Coronapandemie befragte, wurden auch die wöchentlichen, bezahlten Arbeitsstunden erhoben. Die Umfrage liefert außerdem demografische Daten und Informationen zu anderen Maßnahmen, die die Erwerbsarbeitszeit beeinflussen können wie zum Beispiel Kurzarbeit oder Homeoffice. Schon die rohen Daten zeigen, dass die bezahlte Arbeitszeit von Müttern und Vätern während Schulschließungen eklatant auseinanderklafft.
Unsere Berechnungen, basierend auf Regressionen, bestätigen diese Vermutung: Mütter haben ihre Arbeitszeit während Schulschließungen um über 30 Prozent reduziert. Bei einer Durchschnittsarbeitszeit von 25,7 Stunden (laut ACPP) ist das eine Reduktion von über 8 Stunden pro Woche; bei Vätern sind es nicht einmal 15 Prozent (oder 5 Stunden) pro Woche. Kinderlose Frauen und Männer reduzierten ihre bezahlte Arbeitszeit stärker als Väter – auch weil Schulen in intensiveren Phasen der Pandemie (in denen z.B. aufgrund Lockdowns alle ihre Arbeitszeit reduzierten) geschlossen waren.
Mütter übernehmen noch immer den Löwenanteil der Betreuungsarbeit
Die Tatsache, dass Mütter ihre Erwerbsarbeitszeit mehr als Väter reduzieren, lässt nicht sofort auf ungerecht verteilte Kinderbetreuung als Ursache schließen. Doch wie vermutet zeigen die Daten des ACPP, dass Mütter während Schulschließungen einen noch größeren Teil der Betreuungsarbeit übernehmen. In einigen Monaten wurden im ACPP auch Zeitverwendungsdaten abgefragt, die zeigen, wie viel Zeit für diverse Tätigkeiten wie zum Beispiel Kinderbetreuung oder Hausarbeit verwendet wurde. Aus diesen Daten wird ersichtlich: Wenn Schulen zu sind, wenden Mütter im Durchschnitt mehr Zeit für Kinderbetreuung auf als in anderen Phasen der Pandemie, während Väter sogar weniger Zeit dafür verwenden.
Unsere Studie zeigt, dass die Maßnahmen der Bundesregierung zur Pandemiebekämpfung keineswegs geschlechtsneutral waren. Schulschließungen haben höchstwahrscheinlich zu einer Verfestigung der traditionellen Arbeitsaufteilung in Haushalten beigetragen. Einerseits sollten daher künftige Maßnahmen darauf geprüft werden, ob sie sich unterschiedlich auf die Geschlechter auswirken. Andererseits herrscht Nachholbedarf bei der gerechteren Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeitszeit zwischen Müttern und Vätern. Eine generelle Arbeitszeitverkürzung könnte es ermöglichen, unbezahlte Arbeit fairer aufzuteilen, da Väter weniger Zeit in bezahlter Beschäftigung verbringen und so mehr unbezahlte Hausarbeit und Kinderbetreuung übernehmen können. Außerdem würde das Müttern, die in Österreich immer noch sehr häufig Teilzeit arbeiten, ermöglichen, mehr Stunden in bezahlter Beschäftigung anzunehmen.
Daraus ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen:
- Sicherstellung von flächendeckenden, qualitätsvollen und kostenlosen Kinderbetreuungsmöglichkeiten
- Ausbau und Verbesserung des Angebots an Plätzen in Ganztagsschulen
- Einführung der von ÖGB und AK vorgeschlagenen Familienarbeitszeit, bei der beide Elternteile ihre Erwerbsarbeitszeit (jeweils für zumindest vier Monate) auf 28 bis 32 Wochenstunden reduzieren bzw. erhöhen. Dafür erhalten sie (bis maximal zum 4. Geburtstag des Kindes) 250 Euro pro Elternteil pro Monat.
- Gerechtere Verteilung der Arbeitszeit: Einführung einer 30-Stunden-Woche
Der Beitrag basiert auf einer überarbeiteten Version des gemeinsam mit Miriam Rehm (Universität Duisburg-Essen, Institut für Sozioökonomie) verfassten Working Papers “Less Work, More Labor: School Closures and Work Hours during the COVID-19 Pandemic in Austria“.
Dieser Beitrag wurde am 30.08.2022 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den NutzerInnen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.
Titelbild: Chuck Underwood auf Pixabay