Der Hospitality Club – ein Nachruf
Die Geschichte begann im Jahr 2000. Mit dem Siegeszug des Internet gingen auch die Gastfreundschaftsnetzwerke online. Der „Hospitality Club“ war dabei Vorreiter, der heute bekannteste Online-Gastgeberdienst ist “Couchsurfing”. Nun ist der Hospitality Club offline.
Ein Gastbeitrag von Martin B.
Durch das Internet wurde es noch einfacher, auf seiner Reise Bekanntschaften zu finden, die ohne Gegenleistung eine Schlafmöglichkeit anbieten. Natürlich ist es auch möglich, sich nur für einen gemeinsamen Stadtrundgang mit Einheimischen zu treffen und dabei die üblichen touristischen Pfade zu verlassen. Ebenso kann man selbst aufgeschlossene Leute aus aller Welt beherbergen und sich dabei vielleicht ein nächstes Reiseziel schmackhaft machen. In manchen Städten finden sich auch regelmäßige Veranstaltungen dieser Netzwerke. Diese sind ein Anlaufpunkt um Personen mit ähnlichen Interessen zu treffen oder vielleicht noch eine spontane Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Auch wenn diese Form des Reisens natürlich in jüngeren Jahren öfter in Anspruch genommen wird, fanden sich Personen allen Alters darunter.
Die COVID-19-Pandemie brachte allerdings auch dieser Form der Gastfreundschaft einen Dämpfer. Couchsurfing begann im Mai 2020 sogar damit, Mitgliedsbeiträge zu erheben und ließ Benutzer andernfalls nicht mal mehr in ihre Mailbox.
Im April 2022 ging nun der Hospitality Club komplett offline. Das blieb allerdings von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, da der Dienst bereits zuvor stark an Popularität eingebüßt hatte. 2010 hatte er über 600.000 Mitglieder, 2017 waren allerdings schon zwei Drittel davon inaktiv. Das altbackene Design aus dem Beginn der 2000er-Jahre wurde nie überarbeitet, Couchsurfing lief dem Projekt wohl nicht zuletzt deswegen den Rang ab. Der Gründer des Hospitality Club kündigte zwar 2019 einen Relaunch an, fand aber offenbar nicht mehr genug Mitstreiter*innen. Seit mindestens 2019 wurde das Portal nicht mehr gewartet, aufgrund von Fehlern war es seit Beginn 2021 bereits nicht mehr nutzbar.
Schon 2006 befanden freiwillige Mithelfer den Hospitality Club für zu wenig transparent und kritisierten die Möglichkeiten der Mitbestimmung. Daher kam es zur Gründung von „BeWelcome“. Ähnliche Nutzerzahlen konnten zwar nicht erreicht werden, seit der Kommerzialisierung von Couchsurfing stellt BeWelcome allerdings eine wichtige vergleichbare Alternative unter den Online-Gastgeberdiensten dar.
Wie auch immer – der Hospitality Club entsprang einer Zeit als im Internet vieles noch nicht organisiert war, und Leute gar nicht selten auch ihre Telefonnummer als Kontaktmöglichkeit angaben. Er war ein Vorreiter und für viele der Einstieg dazu, das Internet auf diese Art zu nutzen. Da er nun allzu leise offline ging, und es nicht so aussieht als würde er wieder kommen, soll ihm dieser Artikel einen Nachruf widmen.
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Titelbild: Kristin Vogt auf Pexels
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