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Wien: Steigende Mieten trotz Wohnbau-Boom

Eine neue, von der AK beauftragte Studie der TU Wien befasst sich mit dem aktuellen Wohnbauboom in der Hauptstadt. Erstmals in der Nachkriegszeit wird die Bautätigkeit von frei finanzierten Projekten gewerblicher Akteur:innen dominiert. Immer mehr Investor:innen kaufen ganze Projekte auf diesem spekulativen, zunehmend überbewerteten Wohnungsmarkt. Trotz Rekordzahlen bei der Bauleistung ist von sinkenden Kaufpreisen und Mieten keine Spur. Der größte Leerstand ist im Segment der frei finanzierten Eigentumswohnungen gegeben. Die Politik ist gefordert, diesen haarsträubenden Entwicklungen wirkungsvolle Maßnahmen entgegenzusetzen.

Von Lukas Tockner (A&W-Blog)

Mehr frei finanziert als gefördert errichtet: Gemeinnützige bauen meist „sozial“

Gewerbliche Wohnbauträger haben den Großteil ihrer gebauten Wohnungen frei finanziert. Sie haben in den vergangenen vier Jahren über 20.000 Eigentumswohnungen errichtet – und zwar ausschließlich frei finanziert. Zudem wurden von gewerblichen Wohnbauträgern auch rund 16.500 Mietwohnungen gebaut – ein Viertel davon mit Wohnbauförderung. Bei diesem Viertel ist die sozial gebundene Bewirtschaftung nicht nachhaltig und dauerhaft gesichert. Denn nach dem Ende der Förderdauer gilt keine Mietpreisbindung mehr.

Gemeinnützige Bauvereinigungen haben in den vergangenen vier Jahren in Wien rund 21.000 Wohnungen fertiggestellt (rund 17.500 Miet- und rund 3.500 Eigentumswohnungen). Dabei zeigt sich: Die Gemeinnützigen bauen vorwiegend geförderte Mietwohnungen (rund 15.000) – fast 86 Prozent. Daneben wurden aber auch über 5.000 Wohnungen frei finanziert errichtet, davon leicht überwiegend Eigentumswohnungen. Ob es sich hierbei in erster Linie um notgedrungene Anpassungen an hohe Bodenpreise handelt (inklusive Quersubventionierung von ansonsten nicht realisierbaren, geförderten Mietwohnungen in den unteren Geschoßen) oder um eine teilweise Abkehr von der öffentlichen Wohnpolitik und Hinwendung zum Markt, kann nicht beantwortet werden.

Wohnungsneubau in Wien 2018-2021: Viel weniger geförderte als frei finanzierte Wohnungen
Grafik: A&W-Blog

Frei finanzierte Wohnungen über ganz Wien verstreut

Die frei finanzierten Wohnungen sind ziemlich gleichmäßig über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Geförderte Wohnungen findet man deutlich überwiegend am Stadtrand, etwa den südlichen Außenbezirken und in Transdanubien. Das, weil es vor allem dort preisgedeckelte öffentliche Liegenschaften gibt, insbesondere des Wohnfonds Wien.

Kaufen und Mieten Luxus – wer kann sich das leisten?

Die Angebotspreise laut Studie lagen im Jahr 2021 zuletzt durchschnittlich bei 7.300 Euro pro Quadratmeter. Die Preise für neue Eigentumswohnungen sind laut Berechnungen der Österreichischen Nationalbank in Wien in den vergangenen vier Jahren um 31 Prozent gestiegen.

Kosten des Netto-Miet-Quadratmeters in geförderten und frei finanzierten Wohnungen
Grafik: A&W-Blog

Für die Brutto-Miete – also inklusive Umsatzsteuer und Betriebskosten – kommen noch rund drei Euro hinzu.

Im Vergleich dazu: Laut Mikrozensus sind die privaten Neuvertragsmieten von 7,9 Euro netto (11,1 Euro brutto) im Jahr 2016 auf 8,8 Euro netto (zwölf Euro brutto) im Jahr 2020 gestiegen. Das entspricht einem Anstieg der Hauptmietzinse um rund zwölf Prozent.

Internationale Fonds fallen über Wohnungsmarkt her

2021 hat die Anzahl der von Investoren gekauften Wohnungen deutlich zugenommen: Fonds, Banken & Co. kauften innerhalb eines Jahres 4.922 Wohnungen! Das entspricht beinahe jeder zweiten Wohnung, die in diesem Jahr von gewerblichen Bauträgern errichtet wurde. Der Anteil von internationalen Investoren beträgt 2021 bereits 67 Prozent. Zwischen 2018 und 2021 waren es 40 Prozent. In diesem Zeitraum kauften sie 10.558 Wohnungen. Anteilig entspricht das fast drei von zehn Wohnungen aus der Bautätigkeit von Gewerblichen.

Vor allem Banken, Versicherungen und Immobilienfonds kaufen Wohnungen. Knapp 8.000 aller etwa 10.600 Investorenwohnungen wurden von finanzmarktnahen Akteuren wie Pensions- und Investmentfonds gekauft, das sind rund 75 Prozent.

Wohnbau in Wien - Preise steigen trotz Überangebot
Grafik: A&W-Blog

Große Kapitalanlagegesellschaften und Haushalte mit beachtlichen Schenkungen und Erbschaften erwerben jene Wohnungen, die zu kaufen sind. Der Großteil der Bevölkerung kann da finanziell nicht mithalten. Wenn sich zum Beispiel eine Polizistin und ein Lehrer gemeinsam eine Wohnung erarbeiten wollen, in der vielleicht auch noch ein oder zwei Kinder Platz haben sollen, dann ist das faktisch unmöglich.

Mehr gebaut als gebraucht

In den vergangenen vier Jahren wurde in Wien doppelt so viel gebaut als gebraucht. Aber von sinkenden Preisen ist nichts zu spüren. Die Wohnungspreise (plus 31 Prozent) und Mietpreise (plus zwölf Prozent – Hauptmietzinse bei privaten Neuverträgen) sind trotzdem zwischen 2018 und 2021 markant gestiegen. Die Lage am Wohnungsmarkt hat sich weiter zugespitzt. Die Österreichische Nationalbank hat jüngst eine „zunehmende Überhitzung des Wohnimmobilienmarktes“ beklagt. Die Überbewertung am Wiener Wohnungsmarkt liegt laut Währungshüter:innen aktuell auf einem Rekordhoch von 40 Prozent.

Zwischen 2018 und 2021 wurden rund 58.000 Wohnungen fertiggestellt, bei der Bevölkerung gab es im gleichen Zeitraum ein Plus von etwas mehr als 43.000 Personen, das entspricht rund 21.100 zusätzlichen Haushalten. Zudem gibt es 7.700 Wohnungen nicht mehr, sie wurden beispielsweise abgerissen. Das bedeutet also, 28.800 Wohnungen wurden gebraucht, gebaut wurden 57.600.

Spekulant:innen einen Riegel vorschieben

Um die gravierende Schieflage auf dem Wohnungsmarkt wieder geradezurücken, fordert die AK ein Bündel an Maßnahmen:

  • Wirksame bundesgesetzliche Leerstandsabgabe muss her

Beim spekulativen Leerstand muss dringend etwas getan werden. Damit eine Leerstandsabgabe wirksam ist, muss der Bund sie in einer relevanten Höhe beschließen. Oder der Bund erteilt den Ländern endlich die gesetzliche Kompetenz dazu.

  • Weg mit befristeten Mietverträgen

Weg mit befristeten Mietverträgen – Immobilienkonzerne, Versicherungen und andere große Wohnungsbesitzer sollen zukünftig nur mehr unbefristet vermieten dürfen. Privatpersonen sollen hingegen eine Wohnung befristet vermieten dürfen. Immerhin sind drei von vier neuen Mietverträgen im privaten Segment nur mehr befristet.

  • Airbnb: Beim Finanzamt registrieren und zeitlich begrenzen

Die im Regierungsprogramm angekündigte Registrierungspflicht für Kurzzeitvermietende muss kommen. Nur wer beim Finanzamt registriert ist, soll ganze Wohnungen auf Airbnb oder anderen Plattformen anbieten dürfen. Ferner soll der Bund den Gemeinden ermöglichen, die Kurzzeitvermietung von Wohnungen pro Jahr nach eigenem Ermessen zeitlich zu begrenzen.

Mehr sozialer Wohnbau

  • Weiterführen der Offensive des Wohnfonds Wien

Die Bodenpreise sind in Wien in den vergangenen Jahren extrem in die Höhe geschnellt. Aufgrund des zusätzlichen Bevölkerungsplus und des Ukraine-Krieges muss der Wohnfonds weiter in hohem Maß Liegenschaften (Preise gedeckelt) zur Verfügung stellen, damit genügend geförderte Wohnungen gebaut werden können.

  • Öffentliche Grundstücke für geförderten Wohnbau

Grundstücke, die der Allgemeinheit gehören, sollen ausschließlich mit geförderten Wohnungen bebaut werden. Das gilt zum Beispiel für nicht mehr benötigte Flächen und Gleise am Westbahnhof oder leere Kasernen – auch die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und die Bundesforste sollen Grundstücke hergeben.

  • Förderungen erhöhen

Die aktuelle Teuerungswelle hat auch die Baubranche voll erfasst. Damit in Wien weiterhin gefördert gebaut werden kann, hat die Stadtregierung kurzfristig die Förderung pro Wohnung erhöht. Diese Entwicklung muss weiter im Blick behalten werden.


Titelbild: Yaopey Yong auf Unsplash

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