Filmschmankerl: Anti-Kriegsfilm
Von Bernhard Landkammer und Hannah Wahl
Als wir uns das Thema für diese Ausgabe der Filmschmankerl überlegt haben, wussten wir noch nicht, dass zur Entstehungszeit ein weiterer Krieg ausbrechen würde – leider hat uns die Zeit eingeholt. Umso wichtiger erscheint es uns, die filmische Aufarbeitung von Krieg und Kriegsverbrechen anhand des Genres Anti-Kriegsfilm schlaglichtartig zu beleuchten.
Die Art und Weise, wie diese Themen darin behandelt werden, ist breit gefächert und schließt sowohl drastische Darstellungen von Gewalt und bewaffneten Kämpfen als auch die Folgen von Kriegen in friedlichen Zeiten ein. Ebenso können sie realistisch oder bereits in ihrer Konzeption artifiziell angelegt sein. Die Aussage ist aber immer die gleiche: Krieg bringt die dunkelsten Seiten der Menschheit ans Licht – diese sinnlose Gewalt ist stets zu verurteilen und hat nichts Heroisches an sich. Es kann keine Gewinner*innen geben. Mit unserer Auswahl wollen wir vier Beispiele zeigen, die diese Aussage auf unterschiedliche Art vermitteln.
o.k. (Deutschland, 1970)
Michael Verhoevens Film “o.k.” sorgte bei seiner Veröffentlichung 1970 für einen handfesten Skandal: Zwar wurde der Film damals auf der Berlinale gezeigt, die Reaktionen sorgten allerdings dafür, dass das gesamte Festival abgesagt wurde – zum bisher einzigen Mal in seiner Geschichte. “o.k.” ist ohne Zweifel als Provokation angelegt: Auf inhaltlicher Ebene verhandelt der Film eine wahre Geschichte aus dem Vietnamkrieg. Eine US-amerikanische Einheit vergewaltigte und tötete eine wehrlose Frau, der Versuch eines Soldaten, diesen Vorgang vors Kriegsgericht zu bringen, wurde kleingeredet. Das Besondere an “o.k.” ist allerdings seine Erzählform: Zu Beginn des Schwarzweiß-Films stellen sich die Schauspieler und ihre Rollen vor, alles in tiefstem Bayerisch – und auch die Handlung des Films wurde in einen bayerischen Wald verlegt. Gerade dieser Verfremdungseffekt bringt das Grauen des Geschehens noch einmal näher – wir beobachten die fünf Soldaten beim Kartenspielen, bei sinnlosen Übungen, gelangweilten Telefonaten mit anderen Soldaten – und werden in drastischen Bildern Zeugen eines grausamen Kriegsverbrechens.
Schwarzer Regen [jap. original: Kuroi Ame] (Japan, 1989)
Die Folgen des Atombombenabwurfs der USA auf Japan haben sich tief in das Gedächtnis dieses Landes und der Welt eingebrannt. In “Schwarzer Regen” werden die Folgen dieses Kriegsverbrechens sichtbar, zum einen in drastischen Bildern der direkten Folgen, zum anderen durch die Zeit danach. Im Zentrum steht Yasuko, die verheiratet werden soll – aufgrund ihrer Nähe zum Atombombeneinschlag wird sie allerdings gemieden. Diese misogyne Gesellschaftsstruktur ist allerdings nur Katalysator für die Erzählung über die Folgen des Krieges. In Rückblenden sehen wir die direkten Einflüsse der Bomben, gehäutete Menschen, Verzweiflung und den titelgebenden schwarzen Regen. Im Dorf von Yasuko sterben nach und nach die Einwohner an den Folgen der Verstrahlung, und ein Bewohner ist von seinen Kriegspflichten so traumatisiert, dass er bei jedem Motorengeräusch traumatisiert wird und wieder beruhigt werden muss. Ein Happy End kann es hier nicht geben und der ruhig erzählte Film zeigt, dass Krieg kein kurzes schmerzhaftes Ereignis ist, sondern Jahre später noch Auswirkungen hat.
Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb
Oder in Österreich: Dr. Seltsam oder Gebrauchsanweisung für Anfänger in der sorgenfreien Liebe zu Atomwaffen (GB, USA 1964)
Auch in dem Meisterwerk von Ikone Stanley Kubrick geht es um die Abschreckung mit nuklearen Waffen. Der US-amerikanische General Jack D. Ripper fühlt sich zunehmend durch die Sowjetunion bedroht, dreht schließlich durch und will selbst einen Atomkrieg auslösen. Die Satire basiert auf Peter Georges Roman „Red Alert“ und schafft es gekonnt, die Fatalität und Absurdität des Kalten Krieges und der damit einhergehenden Hochrüstung sowie die grotesken Allmachtsphantasien einzelner handelnden Personen, oder viel mehr vermenschlichten Karikaturen, kritisch offenzulegen. Vor dem Hintergrund der „Kuba-Krise“ und der sich immer weiter drehenden Rüstungsspirale hat Kubrick einen Film geschaffen, der auch als Verurteilung der US-amerikanischen Abschreckungspolitik gelesen werden muss und sich mittlerweile ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben hat. Besonders Ex-Präsident Trumps Twitter-Nachrichten, in denen er damit angibt, sein Atomknopf sei größer als jener von Nordkorea, erinnerten in ihrer absurden und gleichzeitig unberechenbaren Art an die Filmsatire aus den 1960ern. Ein absolut schonungsloser Klassiker, der zwar zu Weltschmerz führt, aber unbedingt gesehen werden muss.
Iwans Kindheit [original: Иваново детство] (UdSSR, 1962)
Filmemacher Andrei Tarkowski, bekannt für seine statische und wirkungsreiche Bildsprache, schuf mit Iwans Kindheit einen Anti-Kriegsfilm, der nicht die ruhmreichen Kämpfe und Siege der Roten Armee in den Vordergrund stellt, sondern eindrucksvoll darauf eingeht, was Krieg für einzelne Menschenleben bedeutet. Der Protagonist, ein erst zwölf Jahre alter verwaister Junge, steht mitten im Zweiten Weltkrieg. Nachdem er aus einem Konzentrationslager entkam, schließt er sich einer Partisanengruppe an. Hartnäckig weigert sich Iwan, die Front zu verlassen und ist wie besessen von der Idee, seine Familie zu rächen. Er wirkt völlig abgehärtet, die Gräuel des Krieges haben ihn aus seiner Kindheit gerissen. Der Schwarz-Weiß-Streifen besticht durch seine visuelle und tragische Poetik ebenso wie durch die traumhaften Sequenzen, die für Spannungsaufbau sorgen. International und national wurde Tarkowskis erster längerer Spielfilm hoch gelobt und führte zu ordentlich Gesprächsstoff.
Titelbild: cottonbro von Pexels
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