3 Gründe, warum Gefängnisse in Österreich nicht funktionieren
Mehr als die Hälfte der Inhaftierten in Österreich verbringt höchstens 3 Jahre im Gefängnis. Die meisten sitzen wegen Eigentumsdelikten. Diese Menschen sind nicht die gefährlichen Serientäter, vor denen die Allgemeinheit geschützt werden muss. Deswegen braucht es für den Großteil der Täter:innen Alternativen zum Gefängnis.
Von Lisa Wölfl (MOMENT)
Die Rolle von Justiz und Gefängnis unterliegt stetigem Wandel. Mussten Inhaftierte früher zum Beispiel im „schweren Kerker“ verweilen (etwa, wenn sie abgetrieben haben), liegt heute der Fokus auf „Resozialisierung“, also der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Dass Menschen ihre Haft in großen Anstalten absitzen müssen und dabei von ihrem Umfeld abgeschottet werden, ist kein Naturgesetz.
Deswegen legen wir drei Argumente dafür vor, wieso Gefängnisse in ihrer aktuellen Form in Österreich nicht funktionieren:
#1 Die Rückfallrate nach der Haft ist extrem hoch
Das erklärte Ziel der Haft in Österreich ist die „Resozialisierung“. Sie sollte ein „Trainingscenter für Menschen sein, die an der Realität gescheitert sind“. So sagte es ein Sprecher der Bewährungshilfe „Neustart“ einst zu Addendum. Die Insass:innen sollen wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. Das ist besser für die Gesellschaft und die Inhaftierten.
Das funktioniert in der Wirklichkeit aber schlecht. Wer seine Haftstrafe absitzt, wird in über 50% der Fälle wieder bei einer Straftat erwischt. (Und das sind nur die Taten, die entdeckt werden.)
Wer im Gefängnis sitzt, verliert sein soziales Umfeld. Die Chancen auf eine gute Arbeit nach der Haft, ist klein. Dadurch fehlen oft die Möglichkeiten und Anreize, keine weiteren Straftaten zu begehen.
In Deutschland gibt es Versuche eines alternativen Strafvollzugs. Jugendliche Täter können zum Beispiel auf einem Hof leben und dort mitarbeiten, anstatt die Zeit im Gefängnis abzusitzen. Solche Experimente gibt es in Österreich nicht. Das wäre aber dringend nötig, um wirksame Alternativen zum Gefängnis zu finden.
#2 Gefängnis ist extrem teuer. Inhaftierte leben trotzdem menschenunwürdig.
130€ kostet jeder Tag pro Person im Gefängnis. Der Staat gibt also viel Geld für Inhaftierte aus. Trotzdem bleibt der Erfolg aus und sind die Haftbedingungen in manchen Anstalten menschenunwürdig. Etwa in der Josefstadt in Wien verbringen viele Insass:innen 23 Stunden in der Zelle. Geduscht werden darf nur zwei Mal in der Woche. Zellen sind teilweise von Kakerlaken befallen. „Die Josefstadt wird von manchen als offene Menschenrechtsverletzung bezeichnet“, sagt Forscherin Veronika Hofinger.
#3 Gewalt und Suizid sind in Haft weit verbreitet
3 von 4 Insass:innen haben im Gefängnis Gewalt erlebt. 1 von 5 berichten, dass sie geschlagen oder verprügelt wurden. Der Europarat stuft die Suizidrate unter Häftlingen als „sehr hoch“ ein. Sie ist im Gefängnis 8x höher als in der allgemeinen Bevölkerung.
„Der Strafvollzug ist kein Paradies.“ So reagierte die damalige Justizministerin Beatrix Karl 2013 auf Medienberichte einer Vergewaltigung im Jugendstrafvollzug. Opfer war ein 14 Jahre alter Bub. Manche wollen Täter:innen leiden sehen und denken: Geschieht ihnen recht. Doch was soll das bringen? Gewalt macht Inhaftierte nicht zu „besseren“ Menschen. Früher oder später sind sie wieder auf freiem Fuß. Und was dann?
Es ist sehr wichtig, dass diese veralteten Systeme hinterfragt werden. Dabei möchte ich die Gelegenheit nützen und erwähnen, dass es noch eine Möglichkeit gibt, den Strafvollzug zu kürzen. Bei verschiedenen schweren Delikten, kann sich der Häftling bei guter Führung entlassen lassen, wenn er unterzeichnet das Land zu verlassen und 5 Jahre nicht zurückzukehren. In Deutschland gibt es diese Möglichkeit nach der halben Haftstrafe. In Österreich erst nach 3/4 der Haftstrafe.
Nun könnte man diese Regelung dem deutschen Usus anpassen. –
Was jedoch passiert in der Folge wenn ein deutsch-sprachiger verurteilter Verbrecher entlassen wird? Er wird in ein deutschsprachiges Land gehen, bzw. dorthin überstellt werden. Das Verhältnis ist natürlich ein ungleiches, bei einem so großen Nachbarstaat.
Dennoch wäre es wenigstens für einige Inhaftierte eine Erleichterung, wenn sie auch in Österreich schon nach der halben Haftzeit in ein freies Land zu einem Neustart entlassen werden könnten. Ich könnte mir vorstellen, dass im Rahmen einer politischen Prüfung dieser Option entsprochen werden könnte.