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Wachstum im Wandel in stürmischen Zeiten

„Mind the Gap – wo ist die Lücke im Kreislauf?“ Ein Veranstaltungsbericht von Ilse Kleinschuster

Das Naturhistorischen Museum (NHM) Wien bot im neuen Deck 50 – ein ‚wichtiger physischer und virtuelle Ort der Wissenskommunikation‘ – am 28. Februar 2022 Raum für eine Hybrid-Konferenz mit einem hochkarätigen Panel aus Wirtschaft und Wissenschaft. Es war dies eine Veranstaltung im Rahmen der Initiative Wachstum im Wandel und sie war in erster Linie dem aktuell veröffentlichten Circularity Gap Report 2022 gewidmet.

Die Key-Note von Matthew Fraser (Circle Economy, Amsterdam), zeigte uns mittels seiner guten PowerPoint-Präsentation folgerichtig, dass die Klimaziele nur erreicht werden können, wenn nicht nur der Energie-, sondern auch der Ressourcenverbrauch deutlich sinkt. Nur so ließe sich die Lücke mit verstärktem Recycling schließen. Fragen zu aktuellen Entwicklungen in der Kreislaufwirtschaft in Österreich und ihrem Potenzial zur Erreichung des „unter 2-Grad-Zieles“ konnten diskutiert werden. Die Veranstaltung wurde in Zusammenarbeit mit dem Club of Rome, RepaNet, dem EU-Umweltbüro und Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie durchgeführt.

Der höchst eloquente Harald Friedl, Kreislaufwirtschaft-Beauftragter des BMfK als Moderator stellte gleich zu Beginn einige ‚schwierige‘ Fragen an die Teilnehmer am Podium, zusammengesetzt aus:  Karin Huber-Heim (Circular Forum Austria, Willi Haas (BOKU), den Unternehmern Marcel Krejc (Matwash) und Rainer Schultheis (SAPHENUS) und Karl Kienzl (BMfK)

Fragen wie „Wie kommen wir aus der Blase in den Mainstream?“ oder „Wie können wir schneller ins Umsetzen kommen“ brachten viele, teils schon gehörte Antworten. Da meinte z.B. Willi Haas, es brauche andere Strukturen, ein anderes Government und anderes Zusammenspiel – und vor allem Bildung. Hier hakte gleich Karin Huber-Heim ein. Sie unterrichte viele junge Menschen und bedauere wie sehr sie alle in “monetary bubbles” gefangen seien. Es sei aber nicht nur der Fall, dass viele Menschen es nicht besser wüssten, sondern auch, dass sie es nicht besser wissen wollten.

Vielfach wird die schlechte Verknüpfung von Wertschöpfungsketten kritisiert – hier bräuchte es einfach mehr Raum für Kreativität und Werthaltung, weniger Regelung von oben. Kreislaufwirtschaft sei eben nur ein Hebel, den wir haben. Rainer Schultheis (SAPHENUS) meint, es seien die Grenzen der Messbarkeit schnell erreicht, wenn systemische Fragen nicht im Vorfeld gestellt würden. Es stellt sich dann eher die Frage, wo hört die Nachhaltigkeit eigentlich auf – welche strukturellen Reformen bräuchte es also wirklich?

Hierzu kam dann bald eine Frage aus dem Publikum an den Vertreter aus dem BMfK, Karl Kienzl gerichtet, der spontan meinte, es wäre nicht nur ein Ministerium für Zukunftsfragen notwendig, sondern insgesamt, eine Zukunfts-Regierung. – Bräuchte es aber nicht auch eine aktivere Zivilgesellschaft? Diese leiste ja ohnehin vielfach schon Pionierarbeit, so Karin Huber. Und auf die Frage, wie Konsument*innen sich wirkungsvoll engagieren könnten, meinte Willi Haas, sie könnten ein Unternehmen, das öko-sozial nicht richtig handelt, in den Ruin treiben. Jetzt fühlt sich auch der Matratzen-Unternehmer, Marcel Krejc (Matwash) angesprochen. Ihm ginge es immer um maximale Ressourcennutzung und Kostenwahrheit; dies sei aber oft eine Frage der Planbarkeit – und der Investoren, also letztlich eine sehr, sehr komplexe Frage.

Und dann ging es zum Fragenkomplex der Sustainable Development Goals (SDGs) der Verineten Nationen. Karl Kienzl fühlte sich angesprochen und meinte, es braucht doch zum Aushandeln eines gemeinsamen Regierungsprogramms demokratische Strukturen und eine transparente Datenlage. Meinte er vielleicht, hier sei noch europaweit eine Lücke, die es zu schließen gilt? – International einheitliche Bestimmungen z.B. zur Abfallwirtschaft, zu den Schadstoffen u.a.m.

Eine weitere Frage an ihn: Wer kann auf welche SDGs Einfluss nehmen und das unter Berücksichtigung von ‚80:20‘? – Da stünde Europa wohl noch vor einer multiplen Herausforderung. Man müsse immer bedenken, dass die Klimadiskussion aus dem Bereich der Naturwissenschaften komme und dass man über Klimapolitik keine Sozialpolitik machen könne. Und auch hier hakt Karin Huber wieder ein, dies würde erst klappen, wenn die Wissenschaftler mehr interagieren. Vor allem bräuchte es im Bildungsprogramm mehr interdisziplinäre Kooperation.  Natürlich kam es dann auch zur leidigen Frage der Produktkennzeichnung (CO2-Kennzeichnung) – ein ganz wesentlicher Bestandteil in Bezug auf faire Güter-Verteilung, so der Ministerialrat.

Auf die Frage inwieweit die Medien von der Regierung mehr dazu angehalten werden sollten das ihre dazu zu leisten, meinte der Ministerrat, nun, sie könnten mehr präsent sein, im Übrigen hätten „wir“ ja mit dem ORF einen ganz guten Regierungspartner. Und hier war es wieder Karin H., die dazu noch kritisch anmerkte, man solle vielleicht mit dem Wort ‚nachhaltig‘ brechen, er werde schon zu inflationär verwendet – man sollte es vielleicht durch ‚regenerativ‘ ersetzen. Wenn wir wieder in eine Welt der Qualität zurückkommen wollten, müssten wir uns schon ausführlicher mit der Gestaltung von ‚sustainable futures‘ befassen und hier könnte eine gründliche Medienreform und Journalistenausbildung nicht schaden.

Willi Haas meinte dann in Hinblick auf die Frage nach dem Verständnis von Nachhaltigkeit in der (Aus-)Bildung, es sollte bei all jenen, die diesbezüglich etwas Relevantes umsetzen, doch auch die Sinnhaftigkeit und Effizienz evaluiert werden, um die Verantwortlichkeit zu fördern.

Nun, ich denke, in Zeiten tiefer Umbrüche ist Flexibilität und mutige Anpassung wichtiger denn je. Ich glaube, mehr Vertrauen in demokratische Prozesse und Fähigkeiten für „trial & error“ werden sich in Krisenzeiten als Stärke beweisen. Unserer pragmatischen Politik fehlt oft der begeisternde Glanz der Utopie. In diesem Sinne fand ich die bei der Konferenz stattfindende Gegenüberstellung der Konsequenzen der großen Veränderungen mit den ‚Gaps‘, verursacht durch die überbrachten Überzeugungen, als gelungen. Ich hoffe, sie war ein wichtiger Anstoß um neues Handeln zu ermöglichen.

Subjektive Reflexionen zum 50. Geburtstag des Club of Rome Reports – ‚Grenzen des Wachstums‘

Das „Deck 50“ des NHM war ein gut gewählter Ort – sympathisch von der Lage, aber auch räumlich. Den Organisatoren des Hybrid-Events gratuliere ich zu ihrer Flexibilität mit der sie so eine kleine, aber feine Reproduktion der großartigen Wachstum-im-Wandel Konferenzen der früheren Jahre vollbrachten. Große Improvisationsgabe war wohl notwendig, um in kurzer Zeit und mit knappen Mitteln ein interessantes Programm zu erstellen. Das keynote-Referat war zukunftsbezogen und anregend für die weiteren Diskussionen am Podium und im Publikum. Diese aufzuarbeiten wird noch viel Arbeit erfordern.

Was am Ende leider zu kurz kam war das angesagte Wrap-up. Die beiden Initiatoren, Matthias Neitsch (Repanet & PREUSE) und Fritz Hinterberger (CofR/Ausstrian Chapter) und Gründer der Initiative Wachstum im Wandel hatten aber zumindest noch Gelegenheit kurz über ihre Ziele und weitere Vorhaben zu berichten. Als Sympathisantin der Initiative möchte ich ihnen viel Glück wünschen, mögen sie trotz kriegerischem Gerassel das gewonnene öffentliche Interesse nicht verlieren, so dass die Ankündigungen vonseiten der Politik endlich umgesetzt werden könnten.


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Titelbild: Chinchu C auf Pixabay 

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