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Umbruch bei der Besteuerung multinationaler Konzerne – Was bringt die globale Mindeststeuer?

2021 haben sich 137 Staaten auf weitreichende Reformen bei der Konzernbesteuerung geeinigt. Die Besteuerungsrechte zwischen den Staaten sollen teilweise neu aufgeteilt werden und ein Mindeststeuersatz von 15 % wird eingeführt. Gelten sollen diese Regelungen schon ab 2023 und zu jährlichen globalen Steuermehreinnahmen von 150 Mrd. USD führen. Ende 2021 haben die OECD und die EU-Kommission Mustervorschriften sowie einen Richtlinienvorschlag vorgelegt. Trotz aller Euphorie über längst überfällige Reformen gibt es aber auch einige Probleme, wo Nachschärfungen notwendig sind.

Von Martin Saringer (A&W-Blog)

Die OECD-Vorschläge zur Mindeststeuer

Die Steuertricks der multinationalen Konzerne und der schädliche Steuerwettbewerb verursachen jährlich Steuerausfälle bei den Gewinnsteuern von bis zu 240 Mrd. USD weltweit, das sind immerhin bis zu 10 % des weltweiten Körperschaftsteueraufkommens. Die OECD hat im Rahmen des BEPS-Projektes (Base Erosion and Profit Shifting) bereits im Herbst 2019 Vorschläge zur Neuaufteilung der Besteuerungsrechte (Säule eins) und zur Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes (Säule zwei) vorgestellt. Eine endgültige Einigung wurde letztendlich – nach mehrmaligem Hinausschieben – im Herbst 2021 erreicht. Diese umfassende Reform, die trotz aller Schwächen und Kritikpunkte als Meilenstein der internationalen Unternehmensbesteuerung bezeichnet werden kann, wird von 137 Staaten mitgetragen. Die Regelungen sollen, und dieses Ziel ist sehr ambitioniert, bereits mit Anfang 2023 in Kraft treten. Der Mindeststeuersatz wurde mit effektiv 15 % der Konzerngewinne festgesetzt und soll für alle multinationalen Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 750 Mio. Euro zur Anwendung kommen. Mit den sogenannten GloBE-Regeln (Global Anti Base Erosion) soll sichergestellt werden, dass große multinationale Konzerne diesen Mindeststeuersatz auf ihre globalen Einkünfte zahlen, also in allen Staaten, in denen sie wirtschaftlich aktiv sind. Kernstück der GloBE-Regeln ist die sogenannte „Top-up Tax“, die eingehoben wird, wenn in einem Staat für Unternehmensgewinne ein effektiver Mindeststeuersatz von weniger als 15 % zur Anwendung kommt.

Am 20. Dezember 2021 hat die OECD zur Mindeststeuer detaillierte Umsetzungsregelungen (Model Rules) präsentiert, die wie folgt funktionieren sollen:

Konzerne, deren Jahresumsatz mehr als 750 Mio. Euro ausmacht, müssen in einem ersten Schritt die effektive Gewinnsteuerbelastung für ihre weltweiten wirtschaftlichen Aktivitäten ermitteln, wobei die Ermittlung der effektiven Steuerbelastung für jedes Land, in dem der Konzern tätig ist, einzeln zu erfolgen hat. Basis der Berechnungen sind die jeweiligen Konzernabschlüsse.

Wenn der effektive Gewinnsteuersatz für die Konzernunternehmen in einem Land unter den besagten 15 % liegt, dann greift die Nachbesteuerung durch die sogenannte Hinzurechnungsregel („Income Inclusion Rule“). Diese funktioniert so, dass der Staat, in dem die Konzernzentrale ansässig ist, von dieser die schon erwähnte „Top-up Tax“ einhebt, um zu gewährleisten, dass der Mindeststeuersatz von 15 % erreicht wird. Eine wesentliche Stärke dieser Methode liegt darin, dass die Mindestbesteuerung auch dann zur Anwendung kommen wird, wenn die Tochtergesellschaften in Staaten ansässig sind, die sich dieser Einigung nicht angeschlossen haben. Das führt jedenfalls dazu, dass Gewinne in Steueroasen und Niedrigsteuerländern mit diesem Mindeststeuersatz von 15 % versteuert werden.

Das zweite wesentliche Element ist ein Auffangmechanismus in Form der sogenannten Unterbesteuerungsregel („Undertaxed Payment Rule“), die die Mindestbesteuerung in jenen Fällen sicherstellt, wo die Konzernmutter selbst in einer Steueroase ansässig ist. Mittels dieser können die Mitgliedstaaten einen Teil der „Top-up-Steuer“ einheben, wenn Konzerngesellschaften für ihre Gewinne in anderen Staaten weniger als die vorgesehene Mindeststeuer bezahlen, und wenn diese „Top-up-Steuer“ auch im Staat, in dem die Konzernmutter ansässig ist, nicht eingehoben wird. Der Teil der „Top-up-Steuer“, der diesem Mitgliedstaat zufallen soll, wird anhand einer Formel, die die Zahl der Beschäftigten und die Vermögenswerte berücksichtigt, ermittelt.

Ein Problem im OECD-Vorschlag ist die sogenannte Carve-Out-Regelung. Bei der Ermittlung der „Top-up-Steuer“ dürfen Abzüge für „wirtschaftliche Substanz“ gemacht werden, nämlich 5 % der Lohnsumme und der Abschreibungen für reale Investitionen des Konzerns im jeweiligen Land. In einem Übergangszeitraum von 10 Jahren sind diese Abzüge sogar noch höher. Der Carve-Out führt dazu, dass die effektive Mindeststeuer (bei entsprechender Substanz) unter 15 % fallen kann und gewisse Anreize für Steuerdumping bestehen bleiben.

Besonders problematisch wird der Carve-Out dadurch, dass die Staaten die „Top-up-Steuer“ nicht nur auf die eigenen Konzerne und ihre Tochtergesellschaften erheben können, sondern auch auf die niedrig besteuerten Konzerngesellschaften ausländischer Konzerne im Inland. Diese sogenannte „qualifizierte heimische Top-up-Steuer“ ist erst im Finish der Umsetzungsregeln auf Vorschlag von Irland hineingekommen. Sie ermöglicht den Steueroasen weitere Senkungen der eigenen Körperschaftsteuer durch die „qualifizierte heimische Top-up-Steuer“ teilweise auszugleichen und so den Anpassungsdruck durch die Mindeststeuer zumindest abzufedern.

Der EU-Vorschlag zur einheitlichen Anwendung der Mindeststeuer

Die Europäische Kommission hat bereits im Sommer 2021 angekündigt, einen Richtlinienvorschlag zur Mindestbesteuerung vorlegen zu wollen, um sicherzustellen, dass innerhalb der EU-Staaten eine einheitliche Vorgehensweise gewährleistet ist. Am 22. Dezember 2021 – zwei Tage nach Präsentation der OECD-Mustervorschriften – hat die Kommission einen solchen auch tatsächlich vorgelegt (COM 2021(823)).

Die Pläne der Kommission sind ambitioniert, aber dringend notwendig. Eine Einigung im Rat soll noch im ersten Halbjahr 2022 unter der französischen Präsidentschaft erzielt werden. Wenn man berücksichtigt, dass Entscheidungen im Steuerbereich in der EU der Einstimmigkeit bedürfen, und bedenkt, dass Staaten wie Irland, Estland, Ungarn und Zypern gegen die Einführung einer Mindeststeuer sind (auch wenn sie die OECD-Einigung letztendlich mittrugen), weiß man, wie schwierig der Einigungsprozess noch werden kann.

Insofern ist es enttäuschend, dass der Vorschlag der Kommission bis auf wenige Ausnahmen nicht über den OECD-Vorschlag hinausgeht. Ausnahmen gibt es lediglich dort, wo dies aus europarechtlichen Gründen notwendig ist. Anders als im OECD-Vorschlag sollen wegen der Niederlassungsfreiheit auch die Inlandstöchter der Konzerne sowie große rein nationale Unternehmensgruppen unter den Anwendungsbereich der Mindeststeuer fallen.

Eine offensivere Vorgehensweise der Kommission wäre zweifelsohne wünschenswert gewesen, man muss allerdings auch bedenken, mit welchen Schwierigkeiten bei Einigungen auf EU-Ebene aufgrund der Einstimmigkeitserfordernis regelmäßig zu rechnen ist.

Die globale Mindeststeuer – Revolution oder Mogelpackung?

Die Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15 % für Konzerne muss man jedenfalls positiv sehen. Auch wenn ein höherer Mindeststeuersatz wünschenswert gewesen wäre. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass es sich bei den 15 % um einen effektiven Steuersatz handelt, der erreicht werden soll. Außerdem muss man sich vor Augen halten, dass ein globaler Mindeststeuersatz vor wenigen Jahren noch als völlige Utopie behandelt wurde, gerade auch innerhalb der EU.

Das heißt allerdings nicht, dass man nicht auch Kritik üben muss. Die EU hätte die Möglichkeit gehabt, an wichtigen Stellen über die OECD-Einigung hinauszugehen und beispielweise durch die Festsetzung niedrigerer Umsatzgrenzen oder eines geringeren Carve-Outs zumindest innerhalb des Binnenmarktes fairere Rahmenbedingungen für die internationale Konzernbesteuerung zu schaffen. Das ist insofern schade, weil mit dem Einstimmigkeitserfordernis natürlich die Gefahr besteht, dass man sich mit der Richtlinie „einbetoniert“ und wichtige Nachschärfungen für die nächsten Jahre unmöglich macht. Eine Möglichkeit, dem zu entkommen, könnte darin bestehen, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit von Wahlrechten einzuräumen, sodass diese nach einer Übergangsphase von beispielsweise 5 bis 10 Jahren vorab definierte Spielräume für Nachschärfungen bekommen, ohne dass es wieder zu Verhandlungen mit allen Mitgliedstaaten kommen muss.

Auch wenn der Staatengemeinschaft mit der globalen Mindeststeuer zumindest eine kleine Steuerrevolution geglückt ist, ist klar, dass die erreichten Verbesserungen nicht die letzten gewesen sein können. Das betrifft die notwendigen Nachschärfungen bei der Mindeststeuer selbst (Stichwort „qualifizierte heimische Mindeststeuer“), aber natürlich auch die Neuverteilung der Besteuerungsrechte, wo wir noch weit von der notwendigen Fundamentalreform entfernt sind.


Titelbild: F. Muhammad auf Pixabay 

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