Frei nach Brecht: Wären Wenige nicht reich, wären Viele nicht arm
Mix aus Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und Teuerung schafft massive Existenzprobleme. Umverteilung, Preisregulierung, und progressive Lohnpolitik können dem entgegensteuern, meint Gewerkschafter Josef Stingl.
Freude herrscht – zumindest bei den Reichen der Reichen in Österreich. Bei den First-100 ist das Vermögen ist um 8,2 Prozent oder 25 Milliarden auf 205 Milliarden Euro angewachsen. Wenig Freude, dafür umso mehr Frust, herrscht bei den Lohnabhängigen. Ihre Einkommenserhöhungen liegen bei um die drei Prozent, bei den Pensionist*innen (ab 1.200 Euro brutto) sogar unter zwei Prozent. Nur diese Erhöhungen sind leider kein Zuwachs, sondern auch nur ein Realeinkommensverlust.
Warum das, werden jetzt viele fragen. Das hat mehrere Ursachen. Erst einmal, in Österreich gleichen sowohl die KV-Lohn- und Gehalts-, als auch Pensionserhöhungen die Inflationsverluste erst im Nachhinein aus. Das heißt nichts anderes, als dass wir die Teuerungsrate ständig ein Jahr lang im Voraus von unserem Einkommen vorfinanzieren müssen. Statt für diesen „Wertsicherungskredit“ an die Unternehmen Zinsen zu bekommen, kommt dann noch der Finanzminister und schmälert die tatsächliche Rückzahlung des Teuerungsverlustes durch die kalte Progression.
Derzeit ist diese Situation besonders schlimm, denn die Teuerungsrate liegt deutlich über der des letzten Jahres. Laut Statistik Austria lag die Inflation in den letzten Monaten des Jahres 2021 bei über vier Prozent und im Jänner dieses Jahres sogar bei 5,1 Prozent. Schon dramatisch genug, aber der Verkäufer Preisindex des wöchentlichen Einkaufs hat bereits die Neun-Prozent-Marke überschritten.
Erschwerend kommt dazu, dass neben der Teuerungsrate auch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit zur einer groben Minderung der Einkommen führt. Anders ausgedrückt heißt das, dass es für 100 Euro Einkommen, maximal mehr nur mehr 90 Euro 2021-Warenwert gibt. Die in Kurzarbeit befindlichen Menschen bekommen nur mehr einen Wert von 70 Euro und Arbeitslose nicht einmal mehr den halben Warenwert. Da sind die 150 Euro-Einmal-Almosen der Regierung nicht einmal mehr ein Tropfen auf den heißen Stein, da der Mietrichtwert um acht Prozent angehoben wird der mehr als einmal wieder weg inflationiert.
Was tun? Auch hier gibt´s mehrere Möglichkeiten. So könnte ein Mieten-Erhöhungsstopp beschlossen, die amtliche Preisregulierung der Grundnahrungsmittel wieder eingeführt, Grundnahrungsmittel und Wohnkosten von der Mehrwertsteuer befreit, ein gesetzlicher Mindestlohn angeordnet, die Mindestpension auf über die Armutsschwelle erhöht und eine Energiegrundsicherung eingeführt werden. Für all diese Maßnahmen ist eine Bedeckung im Budget möglich, wenn die Regierung dazu den Willen aufbringt und Reichtum endlich spürbar besteuert.
Aber nicht nur unsere Regierung ist gefordert, auch die Gewerkschaften haben es in der Hand. Nämlich mit einer aktiven Lohnpolitik, die sich an der tatsächlichen Teuerung und der gestiegenen Produktivität orientiert!
Titelbild: moritz320 auf Pixabay
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