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Mit saudischen Millionen gegen den Abstieg

Der englische Fußball-Klub Newcastle United will sich mit den neuen Eigentümern aus Saudi-Arabien aus dem Tabellenkeller kaufen. Der Preis dafür ist nicht nur aus finanzieller Sicht sehr hoch.

Von Moritz Ettlinger

Es war ein Verkauf mit Hindernissen. Im Frühjahr 2020 stand eine Investorengruppe kurz davor, den englischen Premier Leaguisten Newcastle United zu übernehmen. 300 Millionen Pfund lagen auf dem Tisch, es fehlte nur noch die Zustimmung der Liga. Ein paar Monate später zogen die Bewerber*innen das Angebot allerdings zurück. Was war passiert?

Bei Übernahme-Deals wie diesem, die in Englands höchster Männer-Spielklasse keine Seltenheit darstellen, führen die Verantwortlichen der Liga Hintergrund-Checks der möglichen neuen Eigentümer*innen durch. In den meisten Fällen reine Routine und rasch erledigt, dauerte der Check dieses Mal ungewöhnlich lange. Und das war kein Zufall.

Geld ja, Menschenrechte nein

80 Prozent der Anteile der Investorengruppe gehören dem Staatsfond von Saudi-Arabien (PIF), einem der größten Staatsfonds der Welt, der – je nach Schätzung – zwischen 300 und 400 Milliarden Euro schwer ist. Der Fonds verwaltet das Vermögen des vermutlich reichsten Staates der Welt und tätigt Investments überall auf dem Globus. An der Spitze steht Kronprinz Mohammed Bin Salman, der für den Mord am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi verantwortlich sein soll und einer Dynastie angehört, die es mit den Menschenrechten im eigenen Land und außerhalb davon nicht ganz so genau nimmt.

Saudi-Arabien ist jener Staat, in dem weltweit die meisten Todesurteile verhängt werden, Angaben von Amnesty International zufolge teils nach unfairen Gerichtsverfahren. Homosexualität steht unter Strafe, Frauen, Mädchen und LGBTQIA+-Personen sind trotz kleiner Modernisierungsschritte weiterhin massiv benachteiligt. Amnesty spricht bei Folter in Gefängnissen von „Routine“, Oppositionelle, Andersdenkende, Regierungskritiker*innen werden verfolgt und inhaftiert, Rechte auf Meinungs- oder Versammlungsfreiheit sind stark eingeschränkt.

Und schließlich wäre da noch der Krieg im Jemen, den Kronprinz Bin Salman 2016 als Verteidigungsminister begann und der für die jemenitische Bevölkerung unfassbares Leid verursacht hat. Kurz: Gründe gegen Geschäfte mit der absoluten Monarchie und gegen eine Übernahme von Newcastle United durch deren Staatsfonds gäbe es zur Genüge.

Für die englische Premier League hatte die Sache aber wohl primär einen anderen Haken: Die Rechte für die Fernseh-Übertragung der Spiele von Liverpool, Manchester United und Co. im arabischen Raum liegen beim katarischen Sportsender BeIN Sports. Dieser hatte dem saudischen Sender BeoutQ schon seit geraumer Zeit TV-Piraterie vorgeworfen und machte daher gegen die Übernahme der von Saudi-Arabien dominierten Investorengruppe mobil.

Der Einfluss der katarischen Senders und die generell Nähe der Investoren zum Staat Saudi-Arabien führten demnach dazu, dass sich die Entscheidung der Premier League hinzog. Eine Entscheidung, die, wäre das Angebot nicht zurückgezogen worden, vermutlich negativ ausgefallen wäre.

Überraschende Wendung

Zeitsprung ins Jahr 2021: Anfang Oktober gab Newcastle United bekannt, dass einhundert Prozent der Anteile des Klubs für 360 Millionen Euro an PCP Capital Partners, RB Sports & Media und den saudi-arabischen „Public Investment Fund“ (PIF) überschrieben werden – also an genau jene Investorengruppe, die ihr Angebot noch ein Jahr zuvor zurückgezogen hatte. Was hat sich verändert?

Zum einen wurde der Streit zwischen BeIN Sports und BeoutQ offenbar beigelegt. Zum anderen soll es eine verbindliche Zusage vonseiten Saudi-Arabiens geben, dass man über den Staatsfond keinen Einfluss auf den Klub Newcastle United nehmen werde. Damit war die Premier League offenbar zufrieden und winkte die Übernahme durch.

An der menschenrechtlichen Lage im Wüstenstaat hat sich freilich in der Zwischenzeit wenig verändert, und auch an der Glaubwürdigkeit der Zusage des Königshauses, den Verein nicht zu kontrollieren, darf gezweifelt werden.

Die Fans hingegen waren von Anfang an positiv gestimmt. Allerdings nicht zwingend aufgrund der Übernahme durch die konkrete Investorengruppen, sondern vielmehr wegen des Abgangs des vorigen Eigentümers Mike Ashley. Der Gründer des Sportartikelherstellers Sports Direct ist mit einem Vermögen von 3,2 Milliarden Euro ebenfalls kein finanzielles Leichtgewicht, viel von seinem Geld kam bei nordenglischen Fußballverein jedoch nicht an.

Ashley sorgte zwar dafür, dass Newcastle United ohne Schulden dasteht, im Verhältnis zu vielen anderen englischen Vereinen blieben die Investitionen in Spielertransfers aber über weite Strecken gering. Die sportlichen Ergebnisse sprechen nicht unbedingt für den Briten: Die beste Platzierung seit der Übernahme des Klubs durch Ashley im Jahr 2007 war ein fünfter Rang in der Saison 2011/12, ansonsten pendelte man zwischen Tabellenmittelfeld und -keller herum, zwei Abstiege in die zweite englische Liga inklusive.

Alles neu, alles besser?

Jetzt, mit den neuen Eigentümer*innen, soll alles besser werden. Derzeit befinden sich die Magpies (Elstern) auf dem 18. Platz in der Tabelle, was am Ende der Saison den direkten Abstieg bedeuten würde. Verstärkungen mussten also her in diesem Wintertransferfenster, das am Dienstag seine Pforten schloss. Gerüchte gab es ohne Ende, auf angeblichen Wunschlisten der neuen Investoren waren große Namen wie Keylor Navas (Paris St. Germain), Kalidou Koulibaly (SSC Neapel), Toni Kroos (Real Madrid), Ousmane Dembelé (FC Barcelona) oder Timo Werner (FC Chelsea) zu finden.

Eingekauft wurde dann tatsächlich kräftig: Mehr als 100 Millionen Euro gab Newcastle United in diesem Jänner für insgesamt vier neue Spieler aus. Kein anderer europäischer Klub gab in diesem Transferfenster mehr aus. Für 42,1 Millionen Euro kam Bruno Guimarães von Olympique Lyon, 30 Millionen zahlte man an den FC Burnley für Mittelstürmer Chris Wood. Kieran Trippier wechselte für 15 Millionen Euro von Atlético Madrid zu den Magpies und für Dan Burn zahlte man ebenfalls 15 Millionen Euro an Brughton & Hove. Die Weltstars zieht es also (noch) nicht in den Nordosten Englands. Die getätigten Transfers können sich nichtsdestotrotz durchaus sehen lassen und stellen in jedem Fall eine Verstärkung für den krisengebeutelten Verein dar. 

Der Preis für den neuen Reichtum ist allerdings hoch. Denn Newcastle United macht sich mit dieser Übernahme zum Komplizen eines Regimes, das neben Profiten vor allem am Aufpolieren des eigenen Images interessiert ist und mögliche sportliche Erfolge des Vereins für politische Zwecke instrumentalisieren wird. Ein klassischer Fall von “Sportswashing”, mit dem die Strahlkraft des Sports dazu benutzt werden soll, Probleme im eigenen Land zu vertuschen. Probleme, von denen es eigentlich genug gäbe.


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Titelbild: Dominic Wade Photography auf Flickr/CC BY-SA 2.0

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