Brasilien: Bolsonaros Höhlendekret begünstigt Konzerne und schadet der Umwelt
Wieder einmal wird die Schädigung sensibler Ökosysteme durch eine Gesetzesänderung legitimiert. Der Bundeserlass Nr. 10.935/2022 vereinfacht die Erteilung von Lizenzen für Eingriffe und Aktivitäten, die sich schädlich auf die Höhlen des Landes auswirken können. Auch die Höhlen von höchster biologischer Relevanz sind hiervon nicht ausgenommen.
Von NPLA
Umweltschützer*innen befürchten irreversible Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Der Erlass könnte das Verschwinden von Hunderten von Höhlen und Tausenden von Arten bedeuten, die in diesen Ökosystemen leben. Der Präsident der Gesellschaft zur Untersuchung der Fledertiere SBEQ (Sociedade Brasileira para o Estudo de Quiróptero) bezeichnete den Wortlaut des Gesetzestextes als nebulös; dass er die Interessen der Bergbaugesellschaften begünstige, stehe jedoch außer Frage.
Zerstörung von Lebensräumen birgt das Risiko neuer Pandemien
Forscher*innen und Expert*innen kritisieren, dass das Dekret die Erteilung von Baugenehmigungen erleichtert und die Schädigung der Höhlen in Kauf nimmt. SBEQ-Präsident Enrico Bernard warnte in diesem Zusammenhang vor dem Auftreten neuer Epidemien und Pandemien. „Die Lebensräume der Höhlenbewohner werden zerstört, das setzt die Tiere unter Stress, dieser wiederum kann eine Veränderung im Immunsystem der Tiere hervorrufen. Damit erhöht sich die Gefahr, dass Viren und andere Krankheitserreger nach außen dringen.“ Freigesetzte Fledermauspopulationen müssten sich zwangsläufig auf die Suche nach neuen Rückzugsorten begeben; dies erleichtere die Übertragung möglicher Krankheitserreger, so Bernard in den lokalen Medien.
Irreversible Schädigung der Artenvielfalt
Der Präsidialerlass 10.935 sei ein Affront gegen die bestehende Gesetzgebung und werde zwangsläufig die umweltschädigenden Auswirkungen der Bergbautätigkeit im Land verstärken, so der SBEQ-Präsident. „In Brasilien werden in geschützten Gebieten gelegene Höhlen entsprechend ihrer biologischen Relevanz in vier verschiedene Kategorien unterteilt. Irreversible Auswirkungen in den Höhlen der höchsten Relevanzkategorie waren bisher ein absolutes NoGo“. Die Gesellschaft zur Erforschung der Fledertiere betrachtet die neue Regelung als Teil einer Strategie zur Abschaffung der Umweltgesetzgebung. Die Unternehmen könnten der zuständigen Behörde nun ihre eigenen Vorschläge zur Kategorisierung der betroffenen natürlichen Hohlräume vorlegen. Die Aufsichtsbehörde habe durch das Dekret die Macht, Projekte mit irreversiblen Auswirkungen durchzuwinken. Ausschlaggebend sei am Ende, inwieweit der Unternehmenszweck „von öffentlichem Nutzen“ ist.
Ein kategorisches Nein
„Hier geht es um irreparable Schäden mit äußerst bedenklichen Auswirkungen“, so die Forschungsgesellschaft. Tausende von Höhlenbewohnern, darunter vom Aussterben bedrohte und hyperendemische Arten, also solche, die vielleicht nur in einer einzigen Höhle vorkommen, seien in ihrer Existenz gefährdet. Weiter gaben die Naturwissenschaftler*innen zu bedenken, dass auch der Fortbestand der von den Höhlen erbrachten Ökosystemleistungen, wie die Versorgung der Grundwasserleiter und die Eindämmung der Hochwasserneigungen, gefährdet sei. Im größten Land Lateinamerikas werde die Lebensqualität der Bevölkerung aufs Spiel gesetzt und Profit höher bewertet als der Erhalt des Naturerbes. „Einmal mehr entscheidet die Bundesregierung sich gegen die wertvollste Ressource Brasiliens: die biologische Vielfalt“, kritisiert die Organisation. „Wir lehnen diese Regelungen kategorisch ab und rufen die verschiedenen Sektoren der brasilianischen Gesellschaft auf, die sofortige Aufhebung des Dekrets zu fordern“, so die öffentliche Stellungnahme der SBEQ.
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Titelbild: Höhle im Nationalpark Terra Ronca / Caio Ribeiro, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons