Frieden mit Russland: Ja, aber…
Eine Analyse zur aktuellen Ukraine-Krise*
Ja, aber… Dieser damit beginnende Nebensatz, als Einleitung einer Relativierung ist mir in meiner Jugend während der 70er und 80er meistens von jener Generation in Erinnerung geblieben, die in der Hitlerjugend sozialisiert wurde. Im nüchternen Zustand wurden da die Verbrechen der Nazi-Herrschaft immer wieder versucht auch mit anderer „Sichtweise“ zu betrachten. Wenn es feuchtfröhlicher wurde, kam dann schon zum Vorschein, dass man auch noch 40 Jahre nach Untergang des Dritten Reichs ziemlich textsicher beim „Horst Wessel-Lied“ war. Die Älteren, welche die Gräuel des Krieges teilweise selbst als Wehrmachtsangehörige miterlebt und –verursacht hatten, waren da meistens ruhiger und realitätsnäher.
Jetzt werden auch unabhängig von der eigenen Positionierung und der Einschätzung der russischen Politik der Gegenwart, die nur auf die absolute Notwendigkeit eines Narrativs friedenserhaltender Schritte zur Deeskalation hinweist, wieder mit dem „Ja, aber…..“ begegnet. Wer immer sich näher mit der historisch belasteten Geschichte Europas gegenüber Russland auseinandersetzen möchte, dem sei das Buch „Feindbild Russland“ von Hannes Hofbauer empfohlen, bei dem sich seit Jahrhunderten der Versuch Russlands als kulturell-ethnisch natürlicher Teil Europas dort als gleichberechtigte Nation darin integrieren zu können, nicht nur abgelehnt, sondern mit militärischen Invasionsversuchen immer begegnet wurde. War es im 17. Jahrhundert . Polen – die von Polen heute politisch instrumentalisierte Opferrolle blendet die eigene expansive Historie völlig aus – im 18. Jahrhundert . Schweden, im 19. Jahrhundert . die napoleonischen Streitkräfte und letztendlich im 20. Jahrhundert . Nazi-Deutschland mit seinen vielen europäischen Verbündeten und Freiwilligenverbänden aus eroberten Ländern, die mit dem blutigsten Angriffskrieg der Menschheitsgeschichte diese „Tradition“ zur Befriedung (Beherrschung) des „barbarischen Ostens“ mittels Eroberungsversuchen pflegten.
Es ist v.a. der Vernichtungsfeldzug der Nazis, der sich nicht nur gegen den “jüdischen Bolschewismus” der UdSSR richtete, sondern auf die unseelige „europäische Tradition“ gegen die (ost-)slawischen “Untermenschen” aufbaute, der die größte Zäsur und Tragödie für die ostslawischen Völker in deren Geschichte bedeutete. Wenn sich dies rückwirkend betrachtet irgendwie „positiv“ bewerten lässt, dann wohl dadurch, dass auf Grund dieser Tatsache die vorhandenen anti-sowjetischen Tendenzen nicht zu einer zahlenmäßig kritischen Kollaboration führten, und die täglich erlebte Gnadenlosigkeit der Angreifer den Widerstandswillen der sowjetischen Völker stärkte. Die einzige bedeutsame Ausnahme bildeten die ukrainischen Nationalisten um Bandera, in dessen Tradition sich viele radikal-nationalistische Kräfte in der Ukraine von heute sehen, was bis weit in den offiziellen Staatsapparat reicht. Da werden schon auch Plätze nach diesem „Helden des antisowjetischen (=antirussisch gem. gegenwärtiger ukrain. Staatsräson) Widerstands“ umbenannt, welches zumeist mit dem Verschwinden der Namen und Denkmäler zu Ehren der Sieger im „Großen Vaterländischen Krieg“ einhergeht. Der Umgang in den Nachfolgestaaten mit dieser bis heute in allen Familien wirksam gewesenen Katastrophe ist ein wesentlicher Fakt, der beim aktuellen Konflikt zu berücksichtigen ist. Besonders ausgeprägt ist dies aber innerhalb der Ukraine selbst, weil sich neben den ethnischen Russen auch ein beträchtlicher Teil der Ukrainer noch in der Tradition der Sieger über den Nazi-Faschismus sieht. Die „Revolution der Würde“ des Majdan, welche im Straßenkampf aber durch die radikal-nationalistischen und mitunter offen neo-nazistischen Kräfte entscheidend siegreich gegen den Sicherheitsapparat eines seit seiner Gründung 1991 permanent korrupten Staates gewesen ist, betreibt aber seit 8 Jahren einen Propaganda-Feldzug der Geschichtsrevision, die sich besonders für die dafür immer leicht manipulierbare Jugend katastrophal darstellt. Viele Umfragen bestätigen, dass hier ein Trend einer fanatischen Russophobie immer deutlicher erkennbar ist. Wenn in von den rechtsradikalen Gruppen organisierten Ferienlagern die dort indoktrinierten Jugendlichen zu Slogans wie „Lasst uns im Moskowiter Blut baden“ rhythmisch in Hundertschaften springen, sind Vergleiche mit den antisemitischen Exzessen der Hitler-Jugend nicht als übertrieben zu bezeichnen. Der „Banderismus“ ist aber v.a. in der westlichen Ukraine spätestens seit der dort zum beabsichtigten Genozid (Holodomor) uminterpretierten Hungerskatastrophe – verursacht durch die Zwangskollektivierung – ein selbst nach Ende des Krieges 1945 unausrottbarer Bestandteil gewesen, wo bis in die 50er Jahre noch Guerillaaktivitäten gegen die Rote Armee durchgeführt wurden. Dieser harte Kern, der mit entsprechender Rücksichtslosigkeit und Härte vorgeht, hat nicht nur den Majdan gekapert und zum Umsturz geführt, sondern auch für die Kriegssituation im Donbass eine bis heute wichtige Rolle eingenommen.
Als auf Reaktion des Staatsstreichs – nichts Anderes ist der Umsturz 2014 gewesen – neben den von Russland als Staat betriebenen Aufstand auf der Krim in vielen anderen stark russisch (kulturell und ethnisch) geprägten Regionen des Ostens und Südens (von Charkiw bis Odessa und natürlich im Donbass) sich spontan Gegenbewegungen gegen die Kiever Putschregierung bildeten, schickte diese die Armee in die „Aufständischen-Gebiete“. Nicht nur schlecht ausgerüstet und bezahlt, war die Motivation nicht besonders hoch und der Wille gegen die eigenen Landsleute vorzugehen endenwollend. Und wieder waren es hier die nationalistischen Extremisten, die für Eskalation zum verlustreichen Bürgerkrieg sorgten und mit dem Massaker im Gewerkschaftshaus von Odessa am 2. Mai 2014 den zivilgesellschaftlichen Widerstand als ungeeignet erkennbar machten.
Der Krieg im Donbass wurde in seiner ersten Phase von 2014 – Anfang 2015 (Schlacht von Debaltzewo, an deren Anschluss das noch heute gültige Minsker Abkommen steht) mit der gleichen Erbitterung wie die Gegner des 2. Weltkriegs vor 70 Jahren in dieser Gegend geführt. Mit welcher Brutalität seitens der Kiever Regierung gegen zivile Gebiete mit Einsatz schwerer Artillerie und Luftwaffe agiert wurde, bestätigt eher den Vorwurf, dass die dort lebenden „Moskowiter“ gar nicht als eigene Bürger überhaupt wahrgenommen worden. Selbst im letzten OSZE-Bericht wurde unzweifelhaft festgestellt, dass mit 80% an zivilen Opfern auf dem Gebiet der beiden selbsternannten Volksrepubliken diese These nachvollziehbar wird. Der seither geführte Stellungskrieg verursacht zwar weiterhin ständig Opfer, doch ist der Anteil an Zivilpersonen deutlich zurückgegangen. Die Lebensumstände für die Menschen sind trotzdem prekär und in Frontnähe als katastrophal zu bezeichnen und dies bereits im achten Jahr. Ungeachtet der vermeintlich regionalen Eingrenzbarkeit dieses Konfliktes, hat er, wie wir gerade erleben, das Potenzial, sich zum katastrophalsten Konflikt dieses Kontinents auszuweiten, wenn die Eskalationsschranken zu fallen beginnen. Dafür ist es aber erforderlich, geopolitische Interessen/Strategien, aber auch deren zum Teil fatalen Fehleinschätzungen zu analysieren.
Ukraine
Dieses erst durch die Gründung der UdSSR zu semi-staatlicher Souveränität gelangte Subjekt, war nach Implosion der Sowjetunion 1991 erstmals zu völliger Unabhängigkeit gelangt. Die darin enthaltenen Gebiete entstammten der Moskauer Bürokratie und einzelner Willensakte wie die Übertragung der Krim durch Chrustschow. Die bereits ausgeführten historischen Belastungen führten 2004 zur „orangenen Revolution“, bei der die westliche Einmischung sich in Grenzen hielt, da die Beziehung zum viel wichtigeren Russland damals noch als gut bezeichnet werden konnte. So kam es wieder zum roll-back zu Gunsten der östlicher orientierteren Oligarchenkaste. Diese unbestreitbare Tatsache, dass sich seit Staatswerdung die Aufteilung des Landes in entsprechende Oligarchen-Einflusssphären abspielte, bei dem Korruption immer fixer Bestandteil dieser Gesellschaft war, führte zu den Protesten am Majdan, weil die generelle Unzufriedenheit durchaus ihre Berechtigung hatte. Die ehemals sehr industriestarke Ukraine wurde sukzessive heruntergewirtschaftet, wie sich am Niedergang vieler Unternehmen (z.b. Flugzeugwerk Antonov) zeigte. Mit dem seitens EU ziemlich erpresserischen Assoziierungsabkommen – de facto Abschneidung vom eurasischen Wirtschaftsraum – glaubten viele v.a. im urbanen Bereich einer Chance entzogen zu werden. Janukowitsch war gar nicht der Mann Moskaus wie immer wieder suggeriert wird. Unzählige Konflikte unter seiner Regierung mit Moskau bzgl. Gastransit und vermeintliche „Abzweigungen“ zeugen davon. Er war auch derjenige, der das Assoziierungsabkommen mit der EU anstrebte, was eigentlich strategisch mit der Brückenfunktion zwischen EU und Eurasien durchaus sinnvoll erschien. Es waren die geopolitisch motivierten harten Bedingungen des Westens, die ihm dann davon Abstand nehmen ließ. Ausgang bekannt! Die neuen Machthaber mit Poroschenko an der Spitze, welche sich in der westfraktions-internen Auseinandersetzung durchgesetzt hatten, setzten die korrupte Bereicherungspolitik zu ihren eigenen Gunsten fort, wobei die internen Auseinandersetzungen wie der mit Kolomoiski als Finanzier des neonazistischen Azov-Battalions so weit eskalierten, dass dieser dann mit seinem Netzwerk den Wechsel zu seinem Günstling Selensky und zur Abwahl Poroschenkos führten. Der vermeintliche Hoffnungsträger auf Frieden stellte sich schnell als noch schwächere Marionette heraus, der zudem noch für die Privatisierung zu Gunsten westlicher Investoren der wertvollen Schwarzerdeböden sorgte. Der permanente Niedergang der Ukraine, die neben massiver Abwanderung sich auch zum zweitärmsten Staat Europas ausdrückt, lässt deren Herrscher krampfhaft an der Überbetonung des vermeintlich Angegriffenen festhalten, für den sich der Krieg gegen die abtrünnigen Gebiete im Donbass ideal instrumentarisieren lässt. Antidemokratische Sanktionen, wirtschaftliche Vernichtungsmaßnahmen und Verbote gegen oppositionelle Medien und politische Parteien werden im Wertewesten eher als notwendige Abwehrreaktion angesehen, wenn von Kiew diesen einfach nur „Moskau-Nähe“ unterstellt wird. In diesem Gemenge ist die Ukraine zu einem Instrument geostrategischer Interessen des Westens verkommen, indem halt auch noch ein paar Millionen Menschen leben, wo vorgegeben wird, dass deren Schicksal im Zentrum des Interesses steht.
Westen
Von unabhängiger europäischer Politik kann keine Rede mehr sein, und gerade anhand des Ukraine-Konfliktes hat sich gezeigt, wie zahnlos die EU und ihre Mitglieder sind. Großbritannien war ohnedies als privilegiertes angelsächsisches Five-Eyes-Mitglied immer außenpolitisch mit eigener Agenda unterwegs, die zumeist deckungsgleich mit der der USA ist. Die europäischen Garantiegeber Deutschland, Frankreich, Polen hatten im Zuge der Majdan-Proteste mit dem sofortigen Abgehen des zuvor abgeschlossenen Abkommens, welches baldige Neuwahlen vorsah, aber die Rechtmäßigkeit der Janukowitsch-Regierung erkannte, eigentlich den Haupttrigger für die Krim-Besetzung geliefert. Der wahrscheinlich bei den Wahlen zustande gekommene Sieg von pro-westlichen Parteien, hätte nicht zur Annexion/Wiedereingliederung der Krim in die Russische Föderation geführt. Mit Minsk 2 hatte man als Frankreich und Deutschland nochmals die Chance erhalten, eigenständiges Profil für eine europäische Problemlösung zu entwickeln. Man ist nachhaltig gescheitert, der internationale Reputationsverlust ist bleibend. Die BRD ist mittlerweile zum lächerlichen Statisten verkommen, und schadet sich dabei auch noch wirtschaftlich selbst. Das ist Frankreich erspart geblieben, obwohl beim australischen Rüstungsdeal auch deutlich wurde, wo die ehemalige Grand Nation heute wirklich steht. Die USA ist sich v.a. der Schwächen Russlands bewusst und kann mittels seiner europäischen Vasallen relativ gefahrlos zündeln und dabei gleichzeitig die brustschwachen Europäer noch abhängiger machen. Wenn man berücksichtigt, dass die BRD trotz leerer Gaslager für Februar bei Gazprom keine Lieferung geordert hat, und die Frackinggas-Tanker aus den USA bereits intensivst substituieren, kommt dies in der jetzigen Phase enormer Inflation gerade günstig. Eine dank Coronapolitik willfährig gehaltene Bevölkerung akzeptiert mittlerweile auch die Verwerfungen durch enorm höhere Energiepreise. Die US-Außenpolitik hat heute schon gewonnen, entweder massive Sanktionsverschärfungen, die für Russland durchaus eine existenzielle Frage werden können, oder Moskau knickt ein, was sie früher oder später implodieren lassen wird und ein Jelzin 2-Szenario wahrscheinlich macht.
Russland
In der Geschichte wurde Russland immer wieder getäuscht, der Bär ist immer in die Honigfalle getappt. So wie die absolutistischen Herrscherhäuser durch den Sieg über Napoleon dank Russland noch ein paar Jahrzehnte Schonfrist erhielten, was mit dem Bündnis von England und Frankreich mit Russlands Erzfeind dem osmanischen Reich im Krimkrieg 1853 „belohnt“ wurde. Besonders enttäuscht wurde man von den Habsburgern in Wien. Denen hatte man schon im Kampf gegen das aufstrebende Preußen im 18. Jahrhundert . beigestanden, von Napoleon befreit, und 1848 mit Niederschlagung der ungarischen Revolution zum wiederholten Male die „Haut gerettet“. Diese Liste von Enttäuschungen bzgl. Bündnistreue ließe sich fortsetzen. Und auch wenn die Bolscheviki natürlich nicht in der zaristischen Tradition standen, waren auch sie es, die trotz der gegen sie intervenierenden Westmächte während der Revolution, das Bündnis mit ihnen suchten, als die faschistische Gefahr in Europa immer virulenter wurde. Der Sieg der faschistischen Kräfte im spanischen Bürgerkrieg wurde vom Westen einfach hingenommen, und es war Stalin, der als Einziger die spanische Republik unterstützte. Nicht nur Gorbatschows naive Herangehensweise, mit der die ganze Osterweiterung der NATO möglich wurde, auch Putin ist durchaus zu gutgläubig gewesen. Mit dem Vertrauen, dass er vor aller Welt glaubhaft darstellen konnte, dass Russland endgültig in die kapitalistische Welt integriert war, und kein vermeintlicher Systemgegensatz zum Westen mehr bestand, hoffte er auf konstruktive Zusammenarbeit, die es ihm erlauben würde Russland als der Größe entsprechend anerkannten Partner im geopolitischen Machtgefüge prominent positionieren zu können. Dies ist wohl auch dem Umstand geschuldet, dass er irrtümlicherweise glaubte, dass Kapitalismus wirklich ein Wettbewerb freier Marktkräfte sei, bei dem sich letztendlich die Kompetenten und Engagierten den Platz an der Sonne sichern. Die US-geprägte Weltordnung sieht hier aber anderes Regelwerk vor, bei dem Protektionismus und die angelsächsische Tradition der kolonialen Piraterie situativ angewendet wird. Mit dem Georgien-Konflikt kam die Wende und trotzdem wurde die Entwicklung in der Ukraine viel zu passiv-distanziert aus geostrategischer Sicht eingeschätzt. Nach der raschen Eingliederung der Krim glaubte man mit dem völlig in Abhängigkeit gehaltenen Donbass, dem man 2014 mit einer dosierten militärischen Unterstützung seinen dzt. Status verschaffte, wieder Einfluss auf eine Regierung in Kiew zu bekommen, der diese nicht als Alliierte des Westens endgültig verlustig werden lässt. Im Februar 2015 hätte man sogar noch militärisch mit den damals gut ausgerüsteten (+unterstützten) Milizen der Volksrepubliken sich zumindest die ganzen Oblasten von Donezk und Lugansk wieder zurückholen können, wie es am Anfang des Aufstandes gegeben war. Es war das Kalkül mit dem Zeigen militärischer Handlungsfähigkeit und der angestrebten „europäischen Lösung“ die USA und Großbritannien rauszuhalten. Grandiose Fehleinschätzung!
Gegenwärtiges Szenario
Heute ist die ukrainische Armee wesentlich besser aufgestellt, ausrüstungs- und ausbildungstechnisch. Das Verhältnis der viel zu nahe aneinander liegenden feindlichen Truppenverbände (völliges Versagen der OSZE-Friedensmission) liegt bei 3:1 an der Frontlinie. Den Propagandakrieg hat die Russische Föderation vor der Weltöffentlichkeit schon jetzt verloren, und wenn heute die ukrainische Armee zum Großangriff zur Wiederherstellung der „territorialen Integrität“ antritt, wird sie auf viel Verständnis in der öffentlichen Meinung treffen, so wie die Kroaten bei der (Wieder-)Eroberung der serbischen Enklaven. Und so wie damals das Leid der dort immer schon lebenden serbischen Bevölkerung kein Interesse oder Empathie fand, so wird dies auch für die russische Bevölkerung des Donbass gelten. Dann wird der Kreml eingreifen müssen, wenn er in der Welt aber auch landesintern noch als handlungsfähig eingestuft werden will. Die von den USA dadurch gewünschte Sanktionskeule wird gemäß dem Automatismus des bereits skizzierten Drehbuches ablaufen. Russland hat versucht zu bluffen und ist in eine Sackgasse geraten. Irgendwelche vermeintliche Gegenreaktionen auf lateinamerikanischen Boden werden berechtigterweise als geradezu lächerlich eingestuft. Weder bestehen die notwendigen Kapazitäten dafür, noch sind die beiden Armenhäuser Venezuela und Kuba noch als politisch stabile Partner einzustufen.
Die Ukraine und der Donbass sind nur mehr Spielball geopolitischer Interessen und deren Menschen werden notfalls als Bauernopfer missbraucht. Jegliche Eskalation verschlechtert deren Situation natürlich am meisten, aber auch Russland und Europa werden daran bedeutsamen Schaden nehmen. Die Nutznießer sitzen bereits jenseits des Ärmelkanals und ihre Nachfolger jenseits des Atlantik (auch Kanada soll hier als wesentlicher Player nie vergessen werden). Trotz aller Drohgebärden und martialischen Aktivierung zu Wasser, Land und in der Luft, wird es keine direkte Konfrontation NATO vs.Russland geben. Da hat man schon in Syrien genügend Erfahrung gesammelt (inkl. das gegenseitige Töten von operierenden Spezialkräften od. „privaten Einheiten“). Aber ein Restrisiko bleibt immer übrig, und das völlige Fehlen einer Friedensbewegung oder auch nur deren wesentliche Verankerung in einer politischen Partei trägt nicht zur Absenkung dieses Risikos bei.
* Der Autor hatte seit 2015 mehrere Aufenthalte im Kriegsgebiet des Donbass um dort humanitäre Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung zu leisten. Trotz dieses Einsatzes für ukrainische Bürger*innen und auch nachweislichen Engagements für ukrainische Kriegsgefangene auf dem Gebiet der beiden Volksrepubliken, wird er auf der von ukrainischen Nationalisten betriebenen Liste „Mirotworez“ angeführt. Diese auch von westlichen Medien als „Todesliste“ bezeichnet, nachdem bereits Personen die darin angeführt sind, kurz nach deren Nennung getötet wurden, wurde dem Wunsch des Autors entsprechend von der Nennung seines Namens Abstand genommen.
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Titelbild: Sam Oxyak auf Unsplash
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