Ibiza – kein Einzelfall
Im Jahr 2019 waren es die lockeren Zungen von zwei Burschen, welche die Republik erschütterten, diesmal sind es lockere Finger und mehr Beteiligte. Die daraus folgenden Schlüsse und meiner Meinung nach zu ziehenden Konsequenzen bleiben aber ziemlich gleich: Die Herstellung der tatsächlichen Gewaltentrennung.
Ein Gastbeitrag von Markus Auer
Die nun offensichtliche Qualität des (partei)akademisch geschulten Spitzenpersonals unserer Politik mag auf viele ernüchternd wirken und dazu verleiten, Kritik auf die persönliche Ebene zu beschränken. Das tatsächliche Problem ist aber ein anderes.
Macht braucht Kontrolle. Jo eh, werden einige sagen. Aber ich meine nicht die Kontrolle der Message, über den ausgehenden Informationsfluss, die Art ihrer Darstellung, die mediale Berichterstattung, oder generell die Kontrolle über den Bereich, in dem die Macht ausgeübt wird. Ich meine damit, dass die Ausübung der Macht kontrolliert und überprüft werden muß, um ihren Missbrauch zu verhindern.
Macht braucht Kontrolle – schon im eigenen Interesse, denn bekanntlich korrumpiert Macht. Sie verleitet zu Hybris, Willkür, und dem Streben nach Machterhalt oder gar ihrem Ausbau – oftmals nur um ihrer selbst willen. Sie macht ihre Träger misstrauisch und einsam. Schon in der Bibel wird vor den seelischen Schäden gewarnt, die Machtgewinn mit sich bringen kann. Die Überprüfung und Kontrolle der Macht soll nicht nur die Allgemeinheit schützen, sondern auch die Menschen in Machtpositionen vor dem Beschreiten eines dunklen Pfades bewahren, der kein gutes Ende nimmt.
Aus diesem Grund haben weise Menschen die Republik und das Konzept der Gewaltentrennung ersonnen. Die Aufteilung der Macht des Staates in die drei staatstragenden Säulen der Legislative, Exekutive, und Justiz, auf dass sich diese gegenseitig überprüfen und kontrollieren.
Wir haben jedoch zugelassen, dass „die Gewaltentrennung von den Parteien überspannt wird“ (BP Heinz Fischer), und die Stabilität [mit ‚Scht‘!] unserer Institutionen vom Zustand und Funktionieren der politischen Parteien abhängig gemacht. Wie steht es um die Gewaltentrennung, wenn die Regierungsparteien über die absolute Mehrheit im Parlament verfügen, und somit Exekutive und Legislative de facto in den selben Händen liegen? Von welcher Art wird die freiwillige Selbstkontrolle derer sein, die über zwei (oder mehr?) Staatsgewalten verfügen können? Unbefangen à la Sobotka? An dieser Stelle schließe ich mich Armin Thurnhers ausdauerndem Ruf an: Treten Sie endlich zurück, Herr Sobotka!
2019 führte der Fall der Regierung auch zum ‚Fall‘ des damaligen Nationalrats, zu Neuwahlen. Diesmal scheint es (vorerst ohne Neuwahlen) beim Fall des Kanzlers zu bleiben. Hätten wir in 100 Jahren Republik die Weisheit gefunden, unsere Verfassung weiterzuentwickeln und eine wirkliche Gewaltentrennung herzustellen, bei der Legislative und Exekutive separat von der Bevölkerung gewählt wird, dann wäre es 2019 (und auch jetzt) nur bei einer einfachen Krise der Exekutive bzw. beim Fall der Regierung geblieben. Einem Einzelfall. Also kein Problem in unserem schönen Land, wie sich hinlänglich gezeigt hat. Eine Regierungskrise würde dann nicht zu Spekulationen über Parlamentsneuwahlen führen, was die Behandlung einer solchen Krise ob ihrer möglichen Folgen für die Parteien vereinfacht. Die Legislative – der Nationalrat – könnte davon unabhängig weiterarbeiten, und müsste die laufenden Gesetzgebungsverfahren nicht unterbrechen oder Untersuchungsausschüsse nicht vorzeitig beenden.
Neuwahlen gäbe es eventuell trotzdem, aber – halb so wild – nur für die Exekutive, die Regierung. Zu diesem Zweck könnten wir den Bundesrat in eine reine, von der Bevölkerung zu wählende, Exekutivkammer umwandeln, in der sich die Abgeordneten Regierungsmaßnahmen und -posten ausschnapsen können. Demokratisch und transparent, ohne Notwendigkeit für Koalitionsverträge aus dem Hinterzimmer. Ja, wir – denn in der Republik sind wir alle der Staat.
Die dritte Gewalt im Staat – die Justiz – wäre als eine wahrhaftig unabhängige nicht nur für die Aufklärung der Ereignisse und Hintergründe wohl zweifelsfrei im Sinne der Res publica, der öffentlichen Sache. Möglicherweise kämen (und kommen) wir aus dem Staunen nicht mehr raus, was eine weisungsfrei und ungebunden handelnde Strafverfolgung zu leisten vermag.
Apropos rauskommen: Wie sich nun zeigt, hatten wir noch ein Glück (!), dass diesmal solche Exemplare an die Hebel der Staatsmacht gelangten. Wehe uns, wenn wir es weiterhin zulassen, dass eventuell Geschicktere solche Möglichkeiten vorfinden.
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Titelbild: Dennis Jarvis auf Flickr / CC BY-SA 2.0
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