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Reise für das Leben beginnt

Vor wenigen Wochen sind sieben Zapatistas mit dem Schiff von Mexiko aus in Europa angekommen. Über 100 weitere werden mit dem Flugzeug folgen, um uns 500 Jahre nach Beginn der Kolonialisierung einen “freundlichen Gegenbesuch” abzustatten und sich mit den lokalen Kämpfen für das Leben zu verbinden.

Von Andreea Zelinka

Das Geschwader 421 ist Ende Juni im Hafen von Vigo in Spanien vor Anker gegangen und wurde herzlich von Genoss_innen begrüßt. Am Dienstag, den 22. Juni, haben vier Frauen, zwei Männer und eine nicht-binäre Person der zapatistischen Befreiungsbewegung europäisches Festland betreten. Am 2. Mai sind sie mit einem klapprigen Segelschiff von der mexikanischen Isla de las mujeres (Fraueninsel) aufgebrochen. Sie sind die Vorhut einer größeren Gruppe indigener Aktivist*innen aus dem Bundesland Chiapas im Süden Mexikos. 

Die Delegation besteht zu 2/3 aus indigenen Frauen, von denen kaum eine zuvor auch nur in der Bezirkshauptstadt gewesen ist, geschweige denn in der Hauptstadt. Die meisten gehören der Rebell*innenbewegung der Zapatistas an, manche dem Nationalen Indigenen Kongress. Sie kommen, um uns, 500 Jahre nachdem am 13. August 1521 Hernán Cortez und seine Raubmörder die Stadt Tenochtitlán – heute Mexiko City – zerstört haben, einen freundlicheren Gegenbesuch abzustatten. (Nur manchmal rutscht ihnen das Wort „Invasion“ heraus. Aber das meinen sie sehr freundlich: Invasion des Widerstandes, Invasion der Freude, Invasion der Solidarität.) 

27 Jahre permanenter Aufstand

Seit 1994 machen die Zapatistas aus der Selva Lacandona, dem lacandonischen Regenwald, weltweit von sich reden. Es sind Mayas, die es 500 Jahre lang geschafft haben, sich nicht kolonialisieren zu lassen. 1994 sind sie mit Holzgewehren um die Schulter und Wollmützen im Gesicht an die Öffentlichkeit getreten, um ihre Rechte vor den Augen der Weltöffentlichkeit einzufordern. Seither organisieren sie, ständig von staatlicher und paramilitärischer Gewalt bedroht, ihr Gemeinwesen nach ihren eigenen, teils traditionellen, teils im Zuge des Aufstandes gemeinsam neu erfundenen Maximen. Viele begeisterte Leser_innen haben vor allem die poetischen Botschaften ihres dichtenden Subcomandanten gefunden. Früher hieß er Marcos, als Hommage an einen ermordeten Lehrer nennt er sich heute Subcomandante Galeano. Absicht ihrer Europareise, die der erste Teil einer „Weltreise für das Leben“ sein soll, ist es, „dem Europa von unten und von links zuzuhören“. Sie wollen wissen, wer denn diejenigen sind, die hier gegen die gleichen globalen Windmühlen kämpfen wie sie, welche Wege wir in Europa beschreiten, um die Welt zu retten, den Kapitalismus zu besiegen, Frauenmorde zu verhindern und eine gemeinsame solidarische Weltgesellschaft aufzubauen.

Transnationale Solidarität ist keine Einbahnstraße

(Bild von ya-basta-netz.org)

Viele Delegationen, Brigaden und Einzelkämpfer_innen sind in den letzten Jahrzehnten von Europa nach Cuba, nach Nicaragua oder nach Chiapas gefahren, um dort von den revolutionären Bewegungen zu lernen und ihnen Unterstützung angedeihen zu lassen. Oft war dieses weltverbessernde Wandergesell_innentum recht einseitig: Sowohl, was eine gewisse europäische Überheblichkeit des wohltäterischen Hilfegestus anbelangt, aber vor allem natürlich auch in Zahlen: Viel mehr Europäer*innen sind nach Abya Yala – (So nennen die Indigenen selber den Kontinent, der aus eurozentrischer Weltsicht „Lateinamerika“ heißt. Abya Yala bedeutet in der Sprache der Kuna, die im Süden Panamas und im Norden Kolumbiens wohnen: „Vollreife Erde”) – gefahren, als Indigene nach Europa. Eine Delegation von 160 indigenen Rebell_innen hat Europa jedenfalls noch nicht gesehen. Umso spektakulärer wird der Besuch diesen Sommer werden. Am 13. August wird die Delegation in Madrid der Zerstörung Tenochtitláns gedenken. Danach reisen sie nach Paris und werden von dort aus ihre Route durch ganz Europa planen. 

Von einem Netzwerk politischer und zivilgesellschafticher Aktivist_innen wurden sie auch nach Österreich eingeladen. Aber auch schon im Vorfeld ihres Besuches in Salzburg, Innsbruck, Graz, Wien und Kärnten wird es in ganz Österreich politische und kulturelle Veranstaltungen geben, die Antworten auf die Fragen der Zapatistas suchen und ihre Impulse für ein selbstverwaltetes, nachhaltiges und würdevolles Leben für alle auf unserem Planeten aufgreifen für die Weiterentwicklung solidarischer rebellischer Netzwerke, lokal bei uns und weltweit. 

Infos und Möglichkeiten der Unterstützung für Österreich und alle Komuniqués auf Deutsch unter: zapalotta.org

Titelbild: enlacezapatista.ezln.org.mx

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