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Im Fliegenglas der Pandemie

Warum wir nicht glauben, was wir wissen.

Ein Essay von Günter Schütt

Die inhaltliche mediale Debatte um Corona war in Österreich ab einem bestimmten Zeitpunkt – nach dem ersten Lockdown bis Ende Mai – nicht mehr faktengetragen, und das gilt eben nicht nur für eine kleine Gruppe von Querdenkern, sondern auch für den „Standard“ und Personen in medizinischen Leitungsfunktionen wie Petra Apfalter, Günter Weiss oder Andreas Sönnichsen. Ab Juni hieß die dominierende und unzulänglich verallgemeinernde Phrase – man hörte sie selbst im Gespräch mit Freunden: „Einen zweiten Lockdown hält die Wirtschaft nicht aus“.

Die Steigerung der Inzidenzen nach der großzügigen Sommeröffnung führte man auf Balkanrückkehrer zurück – eine Phase, die die meisten Länder in der Pandemie durchgemacht haben: Neu-Infektionen? Können nur von außerhalb kommen! Danach wurden Steigerungen auf die vermehrten Testungen zurückgeführt. Die zeitweilige Regierungsberaterin Petra Apfalter sprach von einem Test-Tsunamie. Schulöffnungen wurden mit der Phrase untermauert, dass Schulen nicht die Treiber der Pandemie seien. Das hatte auch keiner behauptet, selbst wenn wir heute wissen, dass es z.T. so sein dürfte, eher ging es darum, dass Schule ein Ort ist, wo sehr viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen und solche Orte nach allem, was wir infolge Pasteurs und Kochs seit über 100 Jahren über Viren wissen, prädestiniert sind für Übertragungen.

Die Twitter-Warnungen des emeritierten Statistik-Professors Erich Neuwirth und jene der besten Mathematiker des Landes wurden bis nach der Wien-Wahl Ende Oktober ignoriert. Der Gesundheitsminister hat kurz zuvor noch suggeriert, die Inzidenz könne sich auf einem Plateau von 700 Neuinfektionen pro Tag einpendeln. Im September zählte man 700 Tote in Österreich. Mitte Jänner waren es 7000. Eine Verzehnfachung. Vor Weihnachten, genau am 11.12. 2020, als ich unterhalb verlinkten Text schrieb, waren es 3840 Personen in Österreich, die an Corona gestorben sind. Also damals bereits mehrere Großraumflugzeuge oder um rund 1000 Tote mehr als bei 9/11. Warum glaubten wir nicht, was wir wussten? Warum schrieben die Zeitungen nicht, was der Fall war?

Drei Monate später, am 9.3.2021, sind wir in der dritten Welle angekommen. 8757 Österreicher_innen sind an Corona gestorben und es gab an nur einem Tag 2925 neue positive Fälle. Die Virolog_innen gehen davon aus, dass angesichts der neuen Situation mit einem kleinen Prozentsatz geimpfter Österreicher_innen 3000 neu bestätigte Fälle/Tag die Grenze darstellen, bis zu der die Situation an den Krankenhäusern ohne Triage beherrschbar sei, doch, im Gegensatz zu unserem Großnachbarn Deutschland, der sich, anders als wir, im erst 2. Lockdown befindet – hierzulande kann niemand mehr seriös sagen, zwischen dem wievielten Halb- oder Volldockdown wir lavieren – spricht man in Österreich nur über eins: wann endlich die Schanigärten wieder öffnen dürfen.

Vermutlich hätten die Trojaner das Trojanische Pferd nicht ein drittes Mal ins Innere der Stadtmauern gelassen, aber wir? Wir müssen den Bezirk Schwaz von den EU-Oberen mit 100.000 Dosen Biontech zwangsimpfen lassen, weil wir post-Ischgl auch das global zweitgrößte Verbreitungsgebiet der Südafrika-Mutation beheimaten, gegen die derzeit am Markt befindliche Impfungen erst nachgerüstet werden müssen. Die Ziele scheinen klar: global zweitgrößtes Verbreitungsgebiet auch der Brasilien-Mutation sowie der New York-Mutation zu werden und möglicherweise sogar noch selbst eine Tiroler Variante „Anton“ hervorzubringen und bei der Gelegenheit noch möglichst viele ÖsterreicherInnen über den Jordan zu schicken. Und… natürlich die Schanigärten öffnen.

Allerhöchste Zeit also für die Frage nach dem Warum! Mein essayistisches Pamphlet „Wahrheit“ (unterhalb als PDF verlinkt) bietet erste Antworten, die ich aktuell in einem Buchprojekt auf allgemeinerer philosophischer Ebene zu reflektieren versuche.

„Wahrheit“: Das Essay zum Download


Günter Schütt, geboren 1982 in Wien, hat Deutsche Philologie und Philosophie/ Psychologie an der Universität Wien sowie Soziale Arbeit an der FH St. Pölten studiert. Er lebt als Lehrer und Autor in Wien.

Dieser Beitrag wurde als Gastartikel eingereicht. Auch Dir brennt etwas unter den Nägeln und Du willst, dass es die Öffentlichkeit erfährt? Worauf wartest Du noch? Jetzt Gastartikel einreichen!

Titelbild: Rainer Zenz, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0/edited by Unsere Zeitung

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