Bildung ohne Zukunft: Offener Brief eines Maturanten
Das Bildungssystem und die realen Anforderungen driften immer weiter auseinander. Es werden veraltete Wertebilder weitergegeben, die in einem Bildungsumfeld nichts zu suchen haben.
Ein offener Brief von Benjamin Hirsch
Sehr geehrte Lehrkräfte der HTL Mödling und Verantwortliche im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung!
Ich möchte hiermit über die fragwürdigen Lehrmethoden aufklären, welche mir widerfahren sind und Sie dazu motivieren diese zu verbessern.
Wenn einem Lehrer die Farben auf der Tafel nicht gefallen, kann man das als verschroben abtun. Doch dies mit dem Beisatz “Gehen Sie weg mit diesen angeschwuchtelten Farben“ kundzutun, zeigt sehr gut, welches Wertebild der nächsten Generation vermittelt wird. Solche Aussagen sind nicht nur sehr fragwürdig, sondern auch schlichtweg homophob.
In der heutigen Zeit ist es notwendig, dass auch fachspezifische Lehrer_innen eine mit AHS-Lehrer_innen vergleichbare pädagogische Ausbildung machen.
Das ist nur eines von vielen Beispielen von der herabwürdigenden Sprache, die im Unterricht benutzt wird.
Wenn ein Schüler wegen einer psychischen Erkrankung nicht erscheinen kann und auf kein Verständnis oder gar Unterstützung trifft, ist das schade, doch wenn besagtem Schüler proaktiv Steine in den Weg gelegt werden, ist das umso schlimmer. Man sprach Verwarnungen gegen ihn aus, die zum Ausschluss führen können! Statt einem am Boden liegenden zu helfen wird man zusätzlich belastet und versucht, ihn loszuwerden.
Wenn Schülern, die für ihre Rechte einstehen wollen, von ihrem Abteilungsvorstand Sätze wie „Ich bin das Gesetz!“ entgegen geschleudert werden, ist das nicht nur falsch, sondern auch höchst problematisch und vor allem pädagogisch kontraproduktiv.
Ich bin mir bewusst, dass kein System perfekt ist, schon gar nicht ein historisch gewachsenes wie unser Schulsystem. Ich kritisiere hier auch keinesfalls die fachliche Kompetenz der Lehrkräfte.
Das Problem liegt in einem Lernumfeld, das nach dem Prinzip „nur die Harten kommen in den Garten“ funktioniert. Die Schule sollte ein Ort sein, an dem man man sich gerne weiterbildet, einer, an dem man reifen und sich entfalten kann und einem nicht durch Dauerstress und ständiges verbales Niedermachen das selbstständige Denken ausgetrieben wird. Es ist ein System, das nur die Leistung sieht und Talente und Probleme gar nicht wahrnimmt. Der Schüler wird nicht als Mensch wahrgenommen, sondern als Produkt, welches lediglich durch eben solche Methoden produziert und an die Wirtschaft abgeliefert wird.
Ich bitte Sie sich deshalb folgende Frage zu stellen. Wollen Sie kritisch denkende, innovative, begeisterungsfähige Bürger_innen hervorbringen oder doch Maschinen, die lediglich unser BIP steigern?
Sie sind für den Unterricht verantwortlich, der die Zukunft unserer Gesellschaft bestimmt. Bitte verhalten Sie sich dementsprechend.
Mit freundlichen Grüßen
Benjamin Hirsch – Absolvent der HTL Mödling 2020
Benjamin Hirsch ist begeisterter Mechatroniker und möchte anderen die Bildung ermöglichen, die ihm nicht möglich war.
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