Filmschmankerl #6 – Medienkritik
Die Debatte um Subjektivität und Objektivität in medialer Berichterstattung ist so alt wie Medien selbst. In Zeiten von Fake-News und einer zunehmenden Vereinnahmung dieses Narrativs in rechten Strukturen ist dieses Thema aktueller denn je. Dabei darf eine kritische Reflexion medialer Diskurse und von Medienformen keinesfalls den Rechten überlassen werden, sondern muss auch in linken Debatten stattfinden. Nur so kann gesellschaftliche Progressivität durchgesetzt werden.
Von Hannah Wahl und Bernhard Landkammer
Die Frage nach der Wirkung von Medien, ihrem gesellschaftlichen Einfluss und ihren Rezeptions- wie Produktionsbedingungen, ist auch auf filmischer Ebene relevant. In einer Art selbstreflexiven Schleife gefangen thematisieren unterschiedlich Filme auf unterschiedliche Art und Weise, was darin und damit geschieht – oft und besonders auch kritisch, sowohl offensiv wie implizit. In dieser Ausgabe der Filmschmankerl widmen wir uns vier Beispielen der filmischen Medienkritik, die sicher nicht zufällig alle neueren Datums sind.
1.) The Cabin In The Woods (USA, 2011)
Einmal alle Rollenklischees erfüllt bitte: Fünf Jugendliche, der Kiffer, die Cheerleaderin, der Sportler, der Intellektuelle und das schüchterne Mädchen, fahren auf eine einsame Hütte, beschwören durch einen unglücklichen Zufall Zombies herauf und müssen um ihr Leben kämpfen. „The Cabin In The Woods“ nutzt diese Plattitüden inklusive Reißbrettdialoge nahezu beispielhaft – allerdings nur, um sie einmal in den Mixer zu werfen. Im Laufe seiner Spielzeit entwickelt sich der Film zu einem beißenden Kommentar über Rezeptions- und Produktionsbedingungen von Kino. Drew Goddard und Joss Whedon ziehen dazu bereits in der zunächst verwirrenden Eingangsszene den Vorhang zur Seite und zeigen auf metaphorischer Ebene die Funktionsweisen von Medien sowie die Rolle des Publikums und von Zensur. Dass der Bruch mit dem Gewohnten letztendlich auch innerhalb des Films zu einer absoluten Katastrophe führt, ist da nur folgerichtig, und durchgehend von tiefschwarzem Humor getränkt. Leider muss diese Rezension derart vage bleiben und kann nur Andeutungen machen – ansonsten würde dieses Meisterwerk an Reiz verlieren.
2.) The Truman Show (USA, 1998)
Okay, viel deutlicher und umfangreicher geht Medienkritik im Film wohl kaum: Truman Burbank, großartig von Jim Carrey verkörpert, wächst ohne es zu wissen als Protagonist einer Fernsehshow auf, die rund um die Uhr live übertragen wird. Schon als Säugling wurde Truman dafür von der Firma des Produzenten adoptiert und in eine übertrieben kitschig-idyllische Kleinstadt-Kulisse unter eine unsichtbare Kuppel gesteckt. Die aufdringliche drapierten Produktplatzierungen unterstützen das Megaprojekt finanziell. Doch im Laufe seines Lebens merkt Truman dann doch irgendwie, dass etwas nicht stimmt. Pannen, wie ein herabstürzender Scheinwerfer vom Himmel, oder das Auftauchens seines Vaters als Obdachloser, obwohl dieser angeblich bei einem Unfall verstarb, verstärken seine Skepsis zunehmend. Eine unmenschliche TV-Show trifft einen Nerv: Das Publikum – völlig abgerichtet zum müßigen Voyeurismus – verfolgt das Spektakel mal mehr mal weniger beiläufig im Alltag und wächst so mit dem von seinem selbstbestimmten Leben beraubten Truman auf. Ein zweifellos durchdachter Streifen der essentielle Medienkritik wie Sensationsgeilheit, Kommerzialisierung und massenhafte Manipulation schonungslos serviert.
3.) Visitor Q (Japan, 2001)
Takashi Miike, das enfant terrible des japanischen Kinos, durchbricht mit seiner bitterbösen Mediensatire „Visitor Q“ alle Grenzen des guten Geschmacks. Sei es Inzest, Prostitution, Mobbing, körperliche Misshandlungen, Mord oder sogar Nekrophilie: In seinen gut 80 Minuten lässt dieser in körnigen, amateurhaften Bildern gedrehte Film kaum ein Tabu aus. Allerdings erfolgt dies alles keineswegs zum sensationslüsternen Selbstzweck, sondern stelle eine beißende Satire auf eben diese Sensationslüsternheit der Gesellschaft und das Wechselspiel mit der medialen Produktion solcher Bilder dar. Die Handlung folgt einem ehemaligen Fernsehreporter, der eine Dokumentation über die Brutalität der Jugend drehen will. Seine vollkommen dysfunktionale Familie steht dabei im Mittelpunkt, ebenso wie ein geheimnisvoller Besucher, Q, der immer wieder in die Dokumentation und somit auch in das Leben der Familie eingreift. In einer absurden Verdrehung führen diverse perverse Akte dazu, dass eine, zu großen Teilen von Medien, zerstörte Familie wieder zusammenfindet. Harte aber lohnenswerte Kost.
4.) Nightcrawler (USA, 2014)
Ein Film, der uns beim Stichwort Medienkritik sofort in den Sinn gekommen ist: “Nightcrawler” von Regisseur und Drehbuchautor Dan Gilroy. Jake Gyllenhaal brilliert darin als Lou Bloom, ein Kleinkrimineller, der durch Zufall auf seine neue Berufung stößt. Bei einem Autounfall sieht er einen “Nightcrawler” in action: Diese jagen Gewalttaten und Unfällen nach, fangen möglichst schockierendes Bildmaterial mit der Kamera ein und verscherbeln es anschließen an sogenannte “Nachrichten”-Sender. Der wortgewandte Lou Blood wittert ein lukratives Geschäft, tauscht ein gestohlenes Fahrrad gegen ein Funkgerät und eine Kamera und steigt damit ins Business ein. Gerade durch seine soziopathischen Züge und seine Rücksichtslosigkeit entwickelt sich Lou Bloom zum erfolgreichen Kleinunternehmer. Der medienkritische Thriller macht mit seiner zugespitzten audiovisuellen Darstellung die realgewordene Absurdität der Boulevardmedien und ihrem Credo sichtbar. Nachrichten werden geschaffen – berichtet wird, was sich gut verkauft. Die Bilder dazu müssen möglichst drastisch, gewalttätig, bedrohend, emotional wirken. Immerhin soll die Schaulust befriedigt werden. Willkommen im Kapitalismus.
Titelbild: Firmbee auf Pixabay
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