Homeoffice: Gekommen, um zu bleiben?
In der ersten Phase der COVID-19-Pandemie hat sich das Arbeiten im Homeoffice zum Massenphänomen entwickelt. Arbeiteten einer Erhebung von Eurostat zufolge im Jahr 2019 noch lediglich 5,8 Prozent der ArbeitnehmerInnen regelmäßig von der eigenen Wohnung aus, stieg dieser Anteil mit dem ersten Lockdown in Frühjahr 2020 auf über 40 Prozent an.
Von Michael Gogola (A&W-Blog)
Derzeit sieht es danach aus, als ob Homeoffice auch nach der Krise in verstärktem Maße erhalten bleiben würde. Für die ArbeitnehmerInnen birgt das Chancen, aber auch Risiken. Klare Regeln fehlen oft. Dass es diese braucht, legen auch die Ergebnisse einer von IFES im Auftrag der AK durchgeführten Befragung im April und im Oktober nahe.
Was sich seit dem Frühjahr rechtlich geändert hat
Bisher wurden im Zusammenhang mit der Arbeit im Homeoffice nur in wenigen Bereichen spezielle Regelungen getroffen. So wurde bereits im Frühjahr eine Ausweitung des Unfallversicherungsschutzes bei der Arbeit in der eigenen Wohnung vorgenommen (§ 175 Abs 1a und 1b ASVG), da der OGH in seiner Rechtsprechung darauf abstellt, ob sich der Unfall in einem „wesentlich betrieblichen Zwecken dienenden Teil des Gebäudes“ ereignet hat. Eine umfassende unfallversicherungsrechtliche Absicherung der ArbeitnehmerInnen im Homeoffice ist jedoch insbesondere im Hinblick auf die Unfallheilbehandlung, Maßnahmen zur Rehabilitation und die Leistung von Renten bei längerfristiger Beeinträchtigung eines/einer ArbeitnehmerIn durch einen Arbeitsunfall wichtig. Es wurde klargestellt, dass auch Unfälle, die sich im ursächlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der versicherten Beschäftigung im Homeoffice ereignen, Arbeitsunfälle darstellen. Auch Unfälle auf Wegen innerhalb des privaten Haushaltes, also etwa zur Toilette oder in die Küche, ebenso wie von zu Hause aus angetretene Wege zum Arzt bzw. zur Ärztin sind nun erfasst. Zunächst war die Regelung bis 31.12.2020 befristet, auf Druck von AK und Gewerkschaften wurde sie nun vorerst bis 31.3.2021 verlängert, mit der Option auf einmalige Erweiterung bis Ende Juni 2021. Wie es danach weitergeht, ist derzeit noch nicht absehbar.
Eine weitere Sonderbestimmung wurde in Bezug auf das Pendlerpauschale geschaffen. Bis 31.3.2021 kann das Pendlerpauschale auch dann in voller Höhe gewährt werden, wenn ArbeitnehmerInnen den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte aufgrund von COVID-19-Kurzarbeit, Telearbeit wegen der COVID-19-Krise bzw. Dienstverhinderungen wegen der COVID-19-Krise nicht (bzw. weniger oft) zurücklegen (§ 124b Z 349 EStG).
Davon abgesehen wurden von der Bundesregierung seit dem Frühjahr keine Regelungsinitiativen im Zusammenhang mit der Arbeit im Homeoffice gesetzt. Erst Ende August ersuchte die Arbeitsministerin die Sozialpartnerorganisationen, Gespräche zu führen und Vorschläge für gesetzliche Anpassungen zu erarbeiten. Die Spitzenvertreter der Arbeitgeberorganisationen sind offenbar der Auffassung, dass es für die Arbeit im Homeoffice vor allem mehr „Flexibilität“ brauche, während AK und Gewerkschaften detaillierte Forderungen zu jenen Bereichen erheben, in denen derzeit Regelungen fehlen. Die Präsentation von Maßnahmen hat Arbeitsministerin Aschbacher ohnehin erst für März 2021 angekündigt. Zwischenzeitlich präsentierte Aschbacher lediglich zwei unverbindliche und in vielen Bereichen lückenhafte „Leitfäden“ zum Thema, in denen auf wesentliche Fragen, wie etwa Arbeitszeit, Versicherungsschutz und Haftung, sowie auf die wichtige Rolle des Betriebsrats gar nicht eingegangen wird. Die Zeit seit dem ersten Lockdown im März wurde von der Bundesregierung also leider nicht dazu genutzt, klare und verbindliche Regelungen für das Arbeiten im Homeoffice zu schaffen.
Aktuelle Befragungsergebnisse bestätigen Regelungsbedarf
Dass schon jetzt und auch in Zukunft dringender Bedarf an verbindlichen Regelungen zur umfassenden Absicherung von ArbeitnehmerInnen besteht, machen jedoch auch die Ergebnisse einer soeben veröffentlichten Befragung im Auftrag der AK deutlich.
So zeigt sich etwa, dass im Hinblick auf die Ausstattung der Beschäftigten mit technischen Geräten und Arbeitsinfrastruktur seit dem Frühjahr keine Verbesserungen stattgefunden haben, obwohl im Oktober weiterhin etwa 40 Prozent der ArbeitnehmerInnen in Österreich im Homeoffice arbeiteten. Was am betrieblichen Arbeitsplatz undenkbar wäre: Häufig stellen Arbeitgeber nicht einmal die nötigsten Arbeitsgeräte zur Verfügung. Die ArbeitnehmerInnen müssen für die Ausstattung ihres Arbeitsplatzes in der Wohnung oftmals selbst aufkommen, nutzen das private Notebook oder Handy zur Arbeitserbringung und tragen die Kosten für die private Internetverbindung. Frauen sind meist noch wesentlich schlechter ausgestattet als Männer. Grundsätzlich haben Arbeitgeber für alle durch die ArbeitnehmerInnen zur Arbeitserbringung getätigten Aufwendungen Ersatz zu leisten (§ 1014 ABGB analog). Von der Anwendung dieser Bestimmung kann jedoch durch vertragliche Vereinbarung abgegangen werden, was aufgrund des Machtungleichgewichts im Arbeitsverhältnis immer wieder passiert. Mitunter wird dadurch ein erhebliches Maß an Kosten und Risiko auf die Beschäftigten verlagert.
Anlass zur Sorge bietet die Tatsache, dass 60 Prozent der Befragten angeben, eher vom Homeoffice aus zu arbeiten, als Pflegefreistellung in Anspruch zu nehmen, wenn nahe Angehörige erkranken. 56 Prozent geben an, eher von daheim aus zu arbeiten, als in Krankenstand zu gehen, wenn sie selbst erkranken. Eine klare Mehrheit der ArbeitnehmerInnen (54 Prozent) meint überdies, dass sie im Homeoffice auch zu Zeiten arbeiten würden, in denen sie sonst nicht arbeiten würden – etwa spätabends oder am Wochenende. Diese Ergebnisse deuten wohl auf einen bereits bestehenden, hohen Arbeitsdruck in vielen Branchen und ein hohes Maß an zeitlicher Entgrenzung durch die Arbeit in den eigenen vier Wänden hin. Darauf, dass bei der Arbeitserbringung im Homeoffice Arbeit und Freizeit verschwimmen, also häufig wesentlich länger und auch außerhalb der vereinbarten Arbeitszeiten gearbeitet wird, weisen auch andere Studien hin. Außerdem befürchten immerhin 40 Prozent der befragten ArbeitnehmerInnen, dass ihre Leistungen im Homeoffice von Vorgesetzten weniger wahrgenommen werden, was den Leistungsdruck wohl zusätzlich erhöht.
Eine sehr deutliche Haltung äußern die Befragten zur Frage der Freiwilligkeit der Arbeit von der eigenen Wohnung aus: 76 Prozent sprechen sich gegen die Möglichkeit der einseitigen Anordnung von Homeoffice aus, die sich manche Arbeitgeber offenbar wünschen. Derzeit können die ArbeitnehmerInnen nicht ohne beidseitige Vereinbarung vom Arbeitgeber ins Homeoffice „geschickt“ werden. Dabei soll es nach der klaren Meinung der Beschäftigten auch bleiben.
Welche Regelungen es jetzt zur Absicherung braucht
Dass Regelungsbedarf in mehreren Bereichen besteht, liegt also auf der Hand. Was es aus Sicht von AK und Gewerkschaft jetzt zur besseren Absicherung der ArbeitnehmerInnen im Homeoffice braucht:
- Freiwilligkeit: Es muss sichergestellt sein, dass die Arbeit in der eigenen Wohnung nur aufgrund einer Vereinbarung möglich ist. Zur Gewährleistung der Freiwilligkeit gehören auch gesetzlich verankerte Rücktrittsrechte, die eine vollständige Rückkehr zum betrieblichen Arbeitsplatz ermöglichen.
- Mitbestimmung: Es braucht einen eigenen Betriebsvereinbarungstatbestand für Homeoffice. Dieser sollte erzwingbar sein, Betriebsräte sollen sich also an die Schlichtungsstelle wenden können, wenn der Arbeitgeber sich weigert, eine Betriebsvereinbarung zur Regelung von Homeoffice abzuschließen. Das ermöglicht faire Regeln für alle Beschäftigten im Betrieb, sowohl was die Zugangsbedingungen als auch die Rahmenbedingungen für Homeoffice betrifft. Andernfalls können die Bedingungen der Arbeit im Homeoffice individuell unterschiedlich festgelegt werden.
- Unfallversicherungsschutz: Es muss gewährleistet sein, dass ArbeitnehmerInnen bei Arbeitsunfällen auch im Homeoffice umfassend abgesichert sind. Ein erweiterter Unfallversicherungsschutz muss daher auch künftig im Gesetz bestehen bleiben.
- Arbeitsmittel & Kostenersatz: Es muss sichergestellt sein, dass die benötigten Arbeitsmittel von den Arbeitgebern zur Verfügung gestellt werden. In Haftungsfragen müssen die ArbeitnehmerInnen und andere in ihrem Haushalt lebende Personen abgesichert sein. Entstehen den ArbeitnehmerInnen zusätzliche Kosten, müssen diese abgegolten werden.
- ArbeitnehmerInnenschutz gewährleisten: Die Bestimmungen zum ergonomischen Arbeiten und zur Arbeitsplatzevaluierung sollten konkretisiert werden. Gesundes Arbeiten muss auch im Homeoffice sichergestellt werden.
Fazit: Im Homeoffice braucht es Fairness und bessere Absicherung
Dass nun so viele Menschen in den eigenen vier Wänden arbeiten wie noch nie zuvor, zeigt wohl deutlich: Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Es ist zu erwarten, dass die Arbeit in der eigenen Wohnung auch nach der Krise verstärkt ausgeübt werden wird. Das kann Vor-, aber auch Nachteile für die Beschäftigten bieten. Viele ArbeitnehmerInnen hoffen, selbstbestimmter arbeiten zu können. Viele Arbeitgeber hingegen versuchen, Kosten und wirtschaftliches Risiko auf die Beschäftigten zu verlagern. Damit Homeoffice in fairer Weise gelebt werden kann, braucht es klare Regeln und die richtigen Bedingungen. Die geltenden rechtlichen Bestimmungen müssen eingehalten werden, und in einigen Bereichen muss eine bessere Absicherung der ArbeitnehmerInnen durch Sonderbestimmungen gewährleistet werden. Außerdem muss der Betriebsrat bei der Einführung von Homeoffice mitbestimmen und somit mitgestalten können. Nur dann kann sichergestellt werden, das Arbeiten in der eigenen Wohnung unter fairen Bedingungen erfolgt.
Titelbild: Vlada Karpovich von Pexels