Am Supreme Court wirkt der Trumpismus weiter
Trump mag geschlagen sein, der Trumpismus aber lebt weiter. Auch wenn Joe Biden schließlich doch die Wahl für sich entscheiden konnte: Vor allem in der Rechtsprechung haben sich Antiliberalismus und die Herrschaft der Superreichen auf Jahre hinaus erfolgreich festgesetzt. Damit wird der Trumpismus politisch immer noch wirken, wenn Donald Trump längst in Vergessenheit geraten ist.
Von Tamara Ehs
Donald Trump besetzte während seiner Amtszeit mehr Richterstellen neu als irgendeiner seiner Vorgänger. Das betraf vor allem die Posten an Berufungsgerichten, schlug sich allerdings auch am höchsten und politisch wichtigsten US-Gericht, dem Supreme Court, nieder. Noch kurz vor den Präsidentschaftswahlen war die erzkonservative Amy Coney Barrett im Eiltempo als Nachfolgerin der im September verstorbenen progressiven Richterin Ruth Bader Ginsburg ernannt und vereidigt worden.
Während Barack Obama in zwei Amtszeiten insgesamt nur zwei Supreme Court-Richter_innen einsetzen durfte, schaffte Trump in nur einer Amtszeit drei Nachnominierungen: So besetzte Trump die bereits Anfang des Jahres 2016 durch den Tod von Antonin Scalia frei gewordene Stelle mit seinem Vertrauten Neil Gorsuch. Hierbei war ihm die monatelange Blockadetaktik der Republikaner zu Gute gekommen. Sie hatten am Ende von Obamas zweiter Amtszeit einen Kandidaten nach dem anderen ausgebremst, dessen Nominierung die Demokraten im Kongress durchzusetzen versuchten. Mit Obamas letzter, von der Opposition schließlich verhinderter Nominierung hätte das Mehrheitsverhältnis von 5:4 nämlich zugunsten der Demokraten gedreht werden können. Stattdessen blieb der Supreme Court konservativ besetzt – und bleibt es nun auf Jahre hinaus, weil die Richter_innen auf Lebenszeit berufen sind und Trump noch zweimal nachlegen konnte.
Obwohl er sich bester Gesundheit erfreute, hatte der 82-jährige Richter Anthony Kennedy im Sommer 2018 nach politischem Druck sein Amt zur Verfügung gestellt. Er war zwar einst von Ronald Reagan vorgeschlagen worden und somit auf republikanischem Ticket an den Supreme Court gelangt, hatte jedoch für den Geschmack Trumps und seiner Gefolgsleute in gesellschaftspolitisch umstrittenen Fragen zu oft gemeinsam mit den demokratisch nominierten Richter_innen gestimmt. Vor allem bei der Gleichstellung Homosexueller sowie bei der Bestätigung des seit dem Roe v. Wade-Urteil von 1973 stets umkämpften Rechts auf Abtreibung schloss Kennedy sich den Progressiven an und bildete damit die entscheidende „swing vote“.
Tatsächlich bewiesen gerade weltanschaulich besonders umstrittene Urteile immer wieder, dass die Supreme Court-Richter_innen entlang parteipolitischer Linien entscheiden. In höchstem Maße augenscheinlich war dies in jüngster Zeit etwa 2014 in Burwell vs Hobby Lobby, als es um religiös begründete Ausnahmen von Obamacare ging. Die knappen 5:4-Urteile der vergangenen Jahre wurden laut rechtswissenschaftlichen Untersuchungen zwischen 66 % und überwältigenden 88 % entlang der vermuteten Ideologielinien gesprochen, mit Richter Kennedy als sogenanntem „swing justice“.
Als Kennedys Nachfolger wurde Brett Kavanaugh nominiert. Dessen Anhörungen im Senat gingen ob ihrer Heftigkeit in die US-Justizgeschichte ein. Denn dabei standen nicht nur Kavanaughs Überzeugungen – etwa zum Recht auf Schwangerschaftsabbruch – auf dem Prüfstand. Letztlich sorgten Vergewaltigungsvorwürfe für eine mediale Aufmerksamkeit und gesellschaftspolitische Kontroverse, die die tiefen Gräben offenbarten, die durch den Trumpismus geschlagen wurden. Die Republikaner hielten trotz massiver Proteste an ihrem Kandidaten fest.
Mit Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett verfestigt sich nun nicht nur die republikanische Mehrheit am Supreme Court, sondern vor allem deren antiliberale und milliardärsfreundliche Ausprägung. Alle drei sind erst um die 50 Jahre alt und damit die weitaus Jüngsten am Supreme Court. Da Richter_innen auf Lebenszeit bestellt sind, können sie den Trumpismus auf Jahrzehnte hinaus vertreten.
Sowohl Gorsuch, Kavanaugh als auch Barrett gehören der Federalist Society an, einer Juristenvereinigung, deren Ziel vor allem die Rechtsprechung im Sinne der Superreichen ist. Ein wichtiger Sponsor der Federalist Society ist der Milliardär Bob Mercer. Er hatte den Wahlkampf Donald Trumps finanziert und jener griff bei der Suche nach neuen Supreme Court-Richter_innen stets auf die Namensliste Mercers zurück. Mercer hatte einst den Rechtsstreit Citizens United maßgeblich vorangetrieben, mit dessen Urteilsspruch der oberste Gerichtshof 2010 corporations zu Personen erklärte. Seither fällt finanzielle Wahlkampfhilfe unter die freie Meinungsäußerung und es gibt keine Beschränkungen für Wahlkampfspenden mehr. Das eröffnete den Reichsten einen noch einflussreicheren Zugang zur Macht. Und dieser ist ihnen durch das Nachwirken des Trumpismus weiterhin gesichert.
Tamara Ehs ist Wissensarbeiterin für Demokratie und politische Bildung. Dabei berät sie auch Städte und Gemeinden in partizipativen und konsultativen Prozessen. Sie ist Trägerin des Wissenschaftspreises des österreichischen Parlaments. Soeben ist ihr neuestes Buch „Krisendemokratie“ (Wien: Mandelbaum Verlag 2020) erschienen.