6 Jahre Unsere Zeitung: Wut, Traum und Wirklichkeit
Von den Anfängen eines demokratischen Medienprojekts bis zu den Ideen für die Zukunft
Von Michael Wögerer, Gründer von „Unsere Zeitung – Die Demokratische.“
Am 4. Juli 2014 um 15.25 Uhr begann die Reise ins Ungewisse. Eine schlichte Notiz mit rund 3.000 Zeichen auf einer am Vortag eingerichteten Facebook-Seite umschrieb das noch vage Ziel: Die Schaffung einer Online-Zeitung, die sich von der österreichischen Medienlandschaft abhebt. Eine Zeitung, die von Banken, Konzernen, Kirchen und Parteien unabhängig ist. Eine Zeitung, die von engagierten, kritischen JournalistInnen produziert und von den LeserInnen finanziert und mitgestaltet wird. Kurzum: Unsere Zeitung
Am Anfang stand ein Traum, der sich die Jahre davor aus einer gewissen Wut im Bauch entwickelt hatte. In meiner 10-jährigen Tätigkeit als Redaktionsassistent der Austria Presse Agentur lernte ich die Abläufe in der Medienwelt gut kennen und mit ihr hervorragende JournalistInnen, die allerdings gewissen (ökonomischen und politischen) Zwängen unterliegen und keineswegs dem Ideal von Pressefreiheit entsprechen können. Am eigenen Leib erfuhr ich diese Einschränkungen, als mir – trotz entsprechender Ausbildung und klaren Vereinbarungen – von „ganz oben“ die Möglichkeit entzogen wurde als „freier Redakteur“ für die APA-Chronikredaktion tätig zu sein. Ich kann mich noch gut an das Gespräch erinnern, als mich der damalige Chefredakteur kurz vor meinem 31. Geburtstag zu sich bestellt hatte, um beinahe im selben Atemzug „lobend“ mein bereits so frühes politisches Engagement hervorstrich und zugleich eben diesen Lebenslauf als Hindernis sah, um weiterhin für die genossenschaftlich organisierte österreichische Presseagentur zu schreiben. An diesem Tag wurde mir klar, dass ich in dieser Welt keinen Platz habe, zumindest nicht in dieser Form.
„Mach deine Wut zu Widerstand!“
Mein Traum als Journalist für die APA oder später vielleicht für eine etablierte Tageszeitung tätig zu sein, war wenige Monate nachdem ich erste Schritte in diese Richtung unternommen hatte, geplatzt. Die damalige Zeit war geprägt von schlaflosen Nächten, in der ich mir Sorgen um meine Zukunft machte. Die Wut, gegen das Establishment, das mir aufgrund meiner politischen Einstellung eine mir unüberwindbare Mauer in den Weg stellte, war groß. Es war ungerecht und es tat weh!
Aus der Wut im Bauch reifte jedoch allmählich die Idee trotz alledem in diesem Bereich weiterzumachen. Ich dachte mir: „Wenn es noch keine Zeitung für mich gibt, dann müssen wir sie eben gründen!“ – Zugleich war mir klar, dass ich bestimmt nicht der einzige bin, der mit der aktuellen Situation der österreichischen Medienlandschaft unzufrieden ist.
„In Österreich befinden sich Zeitungen, Zeitschriften, TV, Radio & Co. in den Händen einer kleinen, einflussreichen Elite. Auch hierzulande werden die meisten Medien von großen Konzernen indirekt oder direkt kontrolliert. Darüber hinaus sind viele auf das Wohlwollen der Politik (Presseförderung, Inserate,…) angewiesen, um finanziell überleben zu können“, schrieb ich also einleitend vor 6 Jahren auf Facebook und startete damit ein Projekt, dass sich seither Schritt für Schritt – mit Höhen und Tiefen – weiterentwickelt hat und noch lange nicht am Ziel angelangt ist.
Ein Monat nach dem Start legte ich die Idee hinter Unsere Zeitung in einem ausführlicheren Text („Ein Hirngespinst geht um…“) dar. Dort heißt es:
„Ziel ist eine demokratische Zeitung, die auch einiges an unterschiedlichen Meinungen aushalten muss, um erfolgreich zu sein. Dieser Erfolg misst sich letztendlich auch daran, ob Unsere Zeitung von vielen Menschen gelesen wird und ob vielleicht sogar der eine oder die andere das Projekt finanziell unterstützt (dazu aber ein anderes Mal).“
Zum 6. Geburtstag lässt sich sagen, dass wir einige unserer Ziele bereits erreicht haben. Anfang 2015 ging unsere Homepage www.unsere-zeitung.at online, die Zahl der Artikel und der Zugriffe wuchs stetig. Bereits zwei Jahre nach der Gründung konnten 900 redaktionelle Beiträge und rund 200.000 Seitenaufrufe verzeichnet werden (siehe: Zwei Jahre Unsere Zeitung). Aktuell zählt die Seite rund 200 bis 500 BesucherInnen pro Tag, die auf insgesamt 2.480 Beiträge zugreifen können.
Wer steckt hinter „Unsere Zeitung“?
Entstanden im Bauch bzw. Kopf einer Person, ist Unsere Zeitung heute ein Projekt, hinter dem zahlreiche Akteure stehen. Allen voran ist es ein Team mit unterschiedlichen Erfahrungen und Interessen, das sich beinahe täglich mit neuen Artikeln zu Wort meldet oder im Hintergrund für die technische und grafische Umsetzung ehrenamtlich zur Verfügung steht. Hinzu kommen immer mehr Gastautoren, die von Zeit zu Zeit Artikel einreichen.
Dank unserer Kooperationspartner können wir ebenso ein breit gefächertes Themenspektrum abdecken. Hervorzuheben ist dabei Neue Debatte, pressenza, A&W-Blog sowie der ÖGB-Verlag mit der Rubrik „Sonntag ist Büchertag“.
Da wir uns von Anfang an als von Banken, Konzernen, Kirchen und Parteien unabhängig positioniert haben und auch nicht die Absicht haben auf Werbung angewiesen zu sein, musste ein alternatives Finanzierungsmodell gefunden werden.
Zum Glück wurde 2016 von den Krautreportern Sebastian Esser und Philipp Schwörbel die auf Mitgliedschaften basierende Crowdfundingplattform steady gegründet. Unsere Zeitung war eine der ersten, die das Berliner Startup für ihre nachhaltige Finanzierung nutzte. Seit dem Sommer 2017 konnten wir bis heute 47 FreundInnen gewinnen, die uns als Aktivist/in, Herausgeber/in oder als Mäzen/in mit einem monatlichen Beitrag von 3, 6 oder 9 Euro unterstützen. Mit diesem Geld kommen monatlich rund 300 Euro zusammen, die wir zu 100 Prozent in das Projekt investieren. Ein großes DANKESCHÖN an alle, die uns bisher und in Zukunft unterstützen!
Ideen für die Zukunft
„Ideen sind das einzige, woran es nicht mangelt“, sagte kürzlich Jürgen Koller, Gründer der größten Bloggerpattform Österreichs blogheim.at, im Interview. Genau so geht es uns auch bei Unsere Zeitung, die seit mittlerweile 6 Jahren auf der Welt ist. Sehr oft fehlte die Zeit, oft die personellen Ressourcen und manchmal einfach auch das Geld, um alle Ideen, die in den letzten Jahren gesponnen wurden, auch konsequent umsetzen zu können.
Daran wird sich in Zukunft zwar schlagartig nicht alles ändern, aber Dank der langjährigen Unterstützung unserer LeserInnen und neuer AutorInnen nutzen wir diesen Sommer um das Projekt auf eine neue Stufe zu stellen.
Neben dem bunten Mix aus Politik, Wirtschaft, Sport, Philosophie, Kultur etc. werden künftig drei Schwerpunkte besonders hervorgehoben, die schon von Beginn an Teil der redaktionellen Identität Unserer Zeitung waren und zentrale Menschheitsthemen sind: Demokratie, Frieden und Nachhaltigkeit
ExpertInnen auf diesen Gebieten werden die Rubriken regelmäßig befüllen, darüber hinaus planen wir Veranstaltungen (Buchpräsentationen, Lesungen, Diskussionsrunden,…) zu diesen Themen.
Bis zum Herbst soll das Projekt Unsere Zeitung auch einer Evaluierung unterzogen werden und durch die Einbindung unserer Community wollen wir erfahren, welche Anliegen wir künftig stärker behandeln sollen und welche Ideen es außerhalb unserer Redaktion für die künftige Entwicklung von Unsere Zeitung gibt. Schon jetzt laden wir euch dazu ein in unserer Facebook-Gruppe „Unsere Zeitung – Freundeskreis“ mit uns zu diskutieren.
Zur Umsetzung dieser Ideen und der Koordinierung der täglichen UZ-Arbeit werden wir ab August eine administrative Kraft anstellen, die Unsere Zeitung weiter vorwärts bringt. Darüber hinaus wird ein faires Honorarmodell entwickelt, um auf Perspektive unsere regelmäßigen AutorInnen für ihre Artikel bezahlen zu können.
All dies wird uns jedoch nur gelingen, wenn es auch weiterhin Menschen gibt, die sich in dem Projekt auf vielfältige Art und Weise einbringen, uns finanziell unterstützen oder journalistische Beiträge veröffentlichen. Dazu möchte ich mich als Gründer bereits im Voraus herzlich bedanken!
Geburtstagsfest im Herbst
Aufgrund der noch bestehenden COVID-19-Pandemie haben wir uns entschlossen unser Geburtstagsfest in den Herbst zu verschieben und hoffen (voraussichtlich) am 12. September mit euch feiern zu können. Genaueres erfährst du rechtzeitig auf allen unseren Kanälen und natürlich auch in unserem wöchentlichen Newsletter, zu dem du dich hier eintragen kannst.