Fußball in Spanien: Wie eine absurde Transferregelung den Wettbewerb verzerrt
Zuerst der FC Barcelona, jetzt Celta Vigo: Schon zum zweiten Mal in dieser Saison machte ein Klub von einer außergewöhnlichen Transferregelung Gebrauch, die es so nur in Spanien gibt und eine Wettbewerbsverzerrung sondergleichen darstellt.
von Moritz Ettlinger
Eigentlich ist das Transferfenster in Spanien seit dem 1. Februar dieses Jahres geschlossen und öffnet erst in ein paar Tagen wieder. In den Monaten dazwischen sind also normalerweise keine Wechsel von Spielern möglich, die noch bei einem Verein unter Vertrag stehen.
Normalerweise. Denn in der spanischen Primera División existiert eine Sonderregelung, die den Klubs in Ausnahmefällen erlaubt, ihren Kader auch außerhalb der regulären Transferzeiten zu verstärken. Wenn ein Spieler durch eine Verletzung voraussichtlich mehr als fünf Monate ausfällt, ist es dem jeweiligen Verein erlaubt, innerhalb Spaniens einen Ersatz zu verpflichten. Wobei Ersatz in dem Fall nicht wörtlich zu nehmen ist, wie das Beispiel Celta Vigo zeigt.
Ein Stürmer als Torhüter-Ersatz
Der derzeitige Tabellen-16. hatte die Erlaubnis bekommen, einen Ersatz für den zweiten Torhüter Sergio Álvarez zu verpflichten, der mit einem Meniskusriss längere Zeit fehlen wird. Doch was tut Celta Vigo? Anstatt eines Ersatz-Keeper holen die Galicier den Stürmer Nolito vom FC Sevilla. Nolito, der bereits von 2013 bis 2016 für Celta kickte und dann für 18 Millionen Euro an Manchester City verkauft wurde, kommt dem Vernehmen nach sogar ablösefrei, weil sein Vertrag in Sevilla im Sommer ausgelaufen wäre. Das ist zwar legal, entspricht aber sicher nicht dem ursprünglichen Sinn dieser Sonderregelung.
Auch der FC Barcelona machte im Februar Gebrauch davon. Aufgrund einer Verletzung von Offensivmann Ousmane Dembélé eisten die Katalanen Martin Braithwaite von Leganés los. Braithwaite ist Stürmer, zwar im Gegensatz zu Dembélé eher ein klassischer Neuner als Flügelflitzer, aber er geht jedenfalls als Ersatz für den verletzten Franzosen durch. Und dennoch ist auch dieser Transfer, genauso wie alle anderen, die dank dieser Sonderregelung stattfinden, moralisch auf zumindest zwei Ebenen fragwürdig.
Das Beispiel Braithwaite und Leganés – besonders fragwürdig
Warum? Erstens konnte Leganés nichts gegen den Abgang ihres Topstürmers tun – in Spanien hat jeder Spieler eine Ausstiegsklausel im Vertrag; bezahlt ein anderer Verein diese, darf der Spieler gehen. Und zweitens war es Leganés nicht erlaubt, ihrerseits Ersatz zu verpflichten – das sieht die Regelung nicht vor. Das ist zwar einerseits nachvollziehbar, da dies sonst eine Kettenreaktion auslösen würde, die sich nicht mehr stoppen ließe, führt andererseits aber auch zu einer großen Ungerechtigkeit und Wettbewerbsverzerrung.
Es ist einmal mehr eine Regelung, die die größeren Klubs bevorzugt und die kleinen benachteiligt. Vereine wie Real Madrid, Atlético Madrid und eben der FC Barcelona haben meist das nötige Kleingeld, um die Ausstiegsklauseln von Spielern von kleineren Teams locker zu bezahlen. Die Spieler wiederum können verständlicherweise den Angeboten solcher Klubs oftmals nur schwer widerstehen und schließen sich ihnen an – zum Leidwesen ihres früheren Arbeitgebers, der, wie gesagt, nichts dagegen tun kann.
Natürlich gibt es auch umgekehrte Fälle, siehe Celta Vigo, aber Nolito zählte bei Sevilla schon länger nicht mehr zum Stammpersonal, weshalb sein Abgang weit weniger schmerzhaft gewesen sein dürfte als jener von Braithwaite für Leganés.
Apropos Leganés, hier ist die Situation besonders heikel: Derzeit steht man auf dem vorletzten Tabellenplatz, der den direkten Abstieg in die zweite Liga bedeuten würde. Und wer weiß, ob es mit einem ihrer wichtigsten Spieler auch so weit gekommen wäre.
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Quelle für Zahlen & Transfers: transfermarkt.at
Titelbild: Unsere Zeitung/Moritz Ettlinger