Venezuelas Präsident schreibt offenen Brief an die Bürger der USA
In einem offenen Brief, der auf der Webseite des venezolanischen Außenministeriums veröffentlicht wurde, wendet sich Venzuelas Staatsoberhaupt Nicolás Maduro an das US-amerikanische Volk. Wir publizieren im Folgenden die deutsche Übersetzung des Briefes:
Caracas, 3. April 2020
An die Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika:
Seit Wochen steht die Welt still und versucht, eine Pandemie in den Griff zu bekommen, die zweifellos die größte Herausforderung ist, der wir uns als Gesellschaft und als internationale Gemeinschaft jemals gegenüber sahen. Unsere Priorität ist es, ihr entschlossen entgegenzutreten, so wie es auch die Priorität der Vereinigten Staaten von Amerika ist.
Glücklicherweise konnten wir uns in Venezuela auf einige Vorteile stützen: Wir haben sehr früh Maßnahmen zur Vermeidung sozialer Kontakte und zu verstärkten Tests ergriffen, und uns dabei auf unser kostenfreies öffentliches Gesundheitssystem verlassen, das Ärzte im ganzen Land mit dem verbindet, was wir Familie nennen. Wir verlassen uns auch auf die unschätzbar wertvollen kommunalen Organisationen, die uns helfen, das soziale Bewusstsein zu schärfen und die gefährdetsten Branchen zu unterstützen. Die Solidarität Kubas, Chinas und Russlands und die Hilfe der Weltgesundheitsorganisation haben es uns zudem ermöglicht, trotz der illegalen Sanktionen von Donald Trump notwendige medizinische Hilfsgüter zu beschaffen.
Ich möchte Ihnen meine Solidarität bei dieser historischen Herausforderung sowie unsere Bestürzung und Trauer über die Folgen der Pandemie in den USA zum Ausdruck bringen. Zudem habe ich die Verpflichtung, Sie auf Folgendes aufmerksam zu machen: Während sich die Welt auf die Bewältigung des COVID-19-Notstands konzentriert, hat die Trump-Regierung erneut Institutionen zur Umsetzung von Wahlzielen instrumentalisiert und basierend auf Niederträchtigkeit und unter dem Vorwand des Krieges gegen Drogen den größten US-Militäreinsatz in unserer Region in den letzten 30 Jahren angeordnet. Dies geschieht, um Venezuela zu bedrohen und in unserer Region einen kostspieligen, blutigen, militärischen Konflikt von unbestimmter Dauer zu führen.
Im Vorfeld dieses trügerischen Manövers erhob William Barr – ein Generalstaatsanwalt von zweifelhafter Unabhängigkeit (1989 empfahl er die Panama-Invasion gegen Noriega und trug dazu bei, die Missstände des Iran-Contra-Skandals zu vertuschen) – am 26. März letzten Jahres Anschuldigungen wegen Drogenhandels in die USA gegen mich selbst und gegen hochrangige venezolanische Staatsbeamte – ohne auch nur den geringsten Beweis dafür zu erbringen. Dies geschah, obwohl Daten des Verteidigungsministeriums selbst zeigen, dass Venezuela im Gegensatz zu Kolumbien und Honduras, zwei der verbündeten Länder Washingtons, kein primäres Transitland in die Vereinigten Staaten ist.
Es ist klar, dass die Trump-Regierung damit einen Deckmantel schafft, um den improvisierten und unberechenbaren Umgang mit der Pandemie in den Vereinigten Staaten zu verschleiern. Die optimistischsten Prognosen zeigen, dass fast 240.000 Menschen in den Vereinigten sterben werden. Donald Trump hat dies von Anfang an heruntergespielt und sogar geleugnet, so wie er es auch beim Klimawandel getan hat. Heute verschärft sich die Krise in den Vereinigten Staaten ganz einfach deshalb, weil er, obwohl er über die Ressourcen verfügt, nicht dazu bereit ist, das Gesundheitssystem so umzugestalten, dass die vollständige Versorgung der Bevölkerung Vorrang vor profitorientierter Privatmedizin, den Versicherungsgesellschaften und der Pharmaindustrie hat.
Wir in Venezuela wollen keinen bewaffneten Konflikt in unserer Region. Wir wollen eine brüderliche Beziehung der Zusammenarbeit, des Austauschs und des Respekts.
Wir können weder Drohungen noch Blockaden und auch nicht die Absicht einer internationalen Bevormundung akzeptieren, die unsere Souveränität verletzt, und die die Fortschritte verleugnet, die im letzten Jahr im politischen Dialog zwischen der Regierung und einem großen Teil der venezolanischen Opposition – die politische Lösungen und keine Ölkriege will – erzielt wurden.
Auf der Grundlage des oben Dargelegten rufe ich das Volk der Vereinigten Staaten dazu auf, diesen Wahnsinn zu stoppen, ihre Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und sie dazu zu bewegen, Aufmerksamkeit und Ressourcen auf die dringende Bekämpfung der Pandemie zu konzentrieren. Ich bitte auch darum, die militärischen Drohungen, illegalen Sanktionen und Blockaden zu beenden, die den Zugang zu humanitären Gütern einschränken, die für das Land heute so notwendig sind. Ich bitte Sie von ganzem Herzen, nicht zuzulassen, dass Ihr Land erneut in einen endlosen Konflikt hineingezogen wird, in ein weiteres Vietnam, einen weiteren Irak, aber diesmal näher an zuhause dran.
Die Bevölkerungen der Vereinigten Staaten und Venezuelas sind nicht so verschieden, wie sie uns glauben machen wollen. Wir sind Menschen, die eine gerechtere, freiere und empathischere Gesellschaft anstreben. Lassen wir uns nicht durch Einzelinteressen von Minderheiten spalten, die durch Ehrgeiz verblendet sind. Wir teilen, wie unser Führer Hugo Chávez einmal sagte, den gleichen Traum. Der Traum von Martin Luther King ist auch der Traum Venezuelas und seiner revolutionären Regierung. Ich lade Sie ein, gemeinsam dafür zu kämpfen, dass dieser Traum Wirklichkeit wird:
Nein zu einem Krieg der Vereinigten Staaten gegen Venezuela.
Keine völkerrechtswidrigen Sanktionen mehr.
Wir wollen Frieden.
Nicolas Maduro Moros
Präsident der Bolivarischen Republik Venezuela
Der Artikel erschien zuerst auf pressenza.com, Kooperationspartner von Unsere Zeitung. Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler erstellt.
Das Original ist auf der Seite des Ministerio del Poder Popular para Relaciones Exteriores der Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela erschienen.
Titelbild: mppre.gob.ve