AktuellÖsterreich

Kurzarbeit: Arbeitsmarktpolitik in Zeiten von COVID-19

In den letzten Tagen wurde angesichts der drastischen wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Krise ein flexibles und großzügiges Kurzarbeitsmodell geschaffen. Dieses soll in den nächsten Wochen und Monaten dazu beitragen, Arbeitsplätze zu sichern. Ein Überblick über die Ausgestaltung und ein Rückblick auf den sozialpolitischen Nutzen von Kurzarbeit in Österreich.

Von Charlotte Reiff, Philosophin und Juristin (Abteilung für Rechts- und Kollektivvertragspolitik im ÖGB)

Das neue Kurzarbeitsmodell – Vorteile für alle Beteiligten in schwierigen Zeiten

Kurzarbeit ist ein Instrument der Arbeitsmarktpolitik, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Beschäftigungsverhältnisse zu stabilisieren: ArbeitnehmerInnen reduzieren ihre Arbeitsstunden und bekommen den Großteil des dadurch entstehenden Nettoentgeltausfalls von der öffentlichen Hand ersetzt. Durch diese subventionierte Arbeitszeitreduktion können Unternehmen ihre Lohnkosten senken und ihre Arbeitskräfte behalten.

Die nun neu geschaffene Variante ist eine erleichterte Form der in Österreich bereits bestehenden Möglichkeit der Kurzarbeit und resultiert aus der raschen Einigung der Sozialpartner mit der Bundesregierung. Für diese „Corona-Kurzarbeit“ stehen vorerst insgesamt 400 Millionen Euro zur Verfügung und das Modell ist vorläufig auf 6 Monate befristet. Man hofft, dass durch die weitreichende und unbürokratische Ausgestaltung viele Arbeitsplätze gesichert werden können. Das Modell hat für alle Beteiligten Vorteile: ArbeitnehmerInnen verlieren ihren Job nicht und werden finanziell abgesichert. ArbeitgeberInnen können die Unsicherheit und fehlende Auftragslage durchtauchen und danach sehr schnell wieder regulär weitermachen, ohne Know-how zu verlieren und neues Personal suchen zu müssen. Außerdem gibt Kurzarbeit den Unternehmen Zeit, die gegenwärtige und zukünftige wirtschaftliche Lage abzuschätzen und Strategien für die Zukunft entwickeln zu können.

Rückblick auf die Finanzkrise

Schon im Rahmen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 setzte die österreichische Wirtschaft auf stabile Beschäftigung durch Kurzarbeit. Bevor man zu Jahresbeginn 2009 auf Kurzarbeit zurückgriff, wurde die Kurzarbeitsbeihilfe im Durchschnitt nur für weniger als 1.000 ArbeitnehmerInnen pro Jahr beantragt (S. 295). Kurzarbeit wurde also als Instrument der Arbeitsmarktpolitik vor der Krise kaum genutzt. Die Ausgestaltung und der Leistungsrahmen wurden im Laufe des Jahres 2009 mehrmals adaptiert, auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme wurde angepasst. So wurde die Bezugsdauer erst auf 6 Monate (mit zweimaliger Verlängerung insgesamt 18 Monate) festgelegt und dann um weitere 6 Monate auf insgesamt 24 Monate Förderdauer ausgeweitet. Auch die Möglichkeit, Kurzarbeitsbeihilfe mit betrieblichen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu koppeln, wurde geschaffen.

Während ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen in Österreich vor der Rezession wenig Erfahrung mit dem Instrument hatten, ist Kurzarbeit in Deutschland ein geschätztes und bei früheren Konjunkturabschwüngen erprobtes Instrument (alte Rechtslage § 170 SGB III, Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung; nun sozialrechtlich §§ 95 ff SGB III). Doch auch in Deutschland wurden die Zugangsmöglichkeiten und Leistungen 2009 noch ausgeweitet: Die Voraussetzungen, um Kurzarbeit in Anspruch nehmen zu können, wurden vereinfacht und staatliche Förderungen verstärkt.

Inanspruchnahme der Kurzarbeit 2009 in Österreich und Deutschland

  Österreich Deutschland
Personen in Kurzarbeit im 1. Halbjahr 2009 37.348 1,442.667
Anteil der aktiv unselbständigen Beschäftigten (ohne Beamte) (Österreich) bzw.  der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen (Deutschland) (1. Halbjahr 2009) 1,2 % 3,9 %
Männeranteil rund 80 % rund 80 %
Ausmaß der durchschnittlichen Arbeitzeitreduktion im Jahresverlauf 2009 rund 25 % rund 25 %
Zahl der KurzarbeiterInnen im Jahresdurchschnitt 2009 rund 26.000 1,078.367

Quelle: Bock-Schappelwein/Mahringer/Rückert (2011): Kurzarbeit in Österreich und Deutschland.

Auf den ersten Blick wirken die Ausgestaltungen und Adaptierungsmaßnahmen während der Krise in Deutschland und Österreich sehr ähnlich, allerdings fiel die Inanspruchnahme der Maßnahme in den beiden Ländern unterschiedlich hoch aus. Auch bei Bereinigung der Größenunterschiede der Länder zeigte sich in Deutschland eine etwa fünfmal so hohe Inanspruchnahme der konjunkturbedingten Kurzarbeit. In einer Studie des Wifo  zu Kurzarbeit in Deutschland und Österreich werden verschiedene Gründe für die quantitativen Unterschiede genannt. Dazu zählen unter anderem die große Bedeutung des produzierenden Bereichs und der Großbetriebe in Deutschland als typische Nutzer der Kurzarbeit und die hohe Flexibilität des österreichischen Arbeitsmarktes. In Österreich werden Veränderungen im Personalbedarf stärker über eine Anpassung der Belegschaftsgröße vorgenommen und weniger über eine Anpassung der Arbeitszeiten als in Deutschland. Kurzfristige Kündigungen mit Wiedereinstellungszusagen sind ein verbreitetes Phänomen am Arbeitsmarkt  und es gab Hinweise auf eine verstärkte Nutzung von sogenannten Aussetzungsverträgen während der Krise. Auch die Ausgestaltung des Verfahrens und die Öffentlichkeitsarbeit sind Faktoren, die die Nutzung des Instruments beeinflussen. Die öffentliche Kommunikation der Sozialpartnereinigung und die Bewerbung durch das AMS können hingegen die Zunahme von Kurzarbeitsfällen deutlich begünstigen.

Kurzarbeit 2020

Eine erste Ausgestaltung der Kurzarbeit wurde vom Nationalrat am 15.3.2020 beschlossen. Dies geschah im Rahmen eines Gesetzespakets, das auch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens und die Errichtung eines COVID-19-Krisenbewältigungsfonds vorsieht. Im Arbeitsmarktservicegesetz wurde bei den Regelungen zur Kurzarbeit (§ 37b) ein neuer Absatz 7 angefügt, der mit 1.3.2020 rückwirkend in Kraft tritt. In diesem wird u. a. festgelegt, dass als wirtschaftliche Schwierigkeiten im Kontext der Kurzarbeit auch solche gelten, die Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus sind. In einem weiteren umfassenden Gesetzespaket (2. COVID-19-Gesetz), das am 20.3.2020 vom Nationalrat beschlossen wurde, wurde festgelegt, dass durch die Kurzarbeitsbeihilfe die Dienstgeber-Mehrkosten für die Beiträge zur Sozialversicherung ab dem 1. Monat abzugelten sind. Weiters hat der Verwaltungsrat des AMS eine Richtlinie zur Kurzarbeitsbeihilfe (KUA-COVID-19) beschlossen, die die Abwicklung im Detail regelt.

Auf den genannten gesetzlichen Grundlagen sieht die Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern folgende Ausgestaltung der Kurzarbeit vor:

  • Voraussetzungen

Die Kurzarbeit ist in allen Betrieben und Unternehmen unabhängig von der jeweiligen Größe und unabhängig von der jeweiligen Branche möglich. Kurzarbeit setzt aber den Abschluss der Corona-Sozialpartnervereinbarung voraus.

Kurzarbeit müssen Betriebe beim AMS beantragen, es gibt für ArbeitnehmerInnen kein Recht auf Kurzarbeit. Der Antrag auf Kurzarbeitsbeihilfe ist beim AMS ohne Einhaltung bestimmter Fristen einzubringen. Der Erstkontakt mit dem AMS kann per E-Mail oder telefonisch erfolgen. Sofern es die Sozialpartnervereinbarung vorsieht, kann die COVID-19-Kurzarbeit rückwirkend mit 1.3.2020 beginnen.

Die Corona-Kurzarbeit wird zunächst für 3 Monate vereinbart, bei Bedarf kann das Modell um weitere 3 Monate verlängert werden.

  • Arbeitszeit

In der Vereinbarung ist festzulegen, in welchem Ausmaß die kollektivvertragliche Normalarbeitszeit in welchem Durchrechnungszeitraum herabgesetzt wird. Der Durchrechnungszeitraum darf nicht länger sein als der bewilligte Kurzarbeitszeitraum. Die Arbeitszeit im gesamten Durchrechnungszeitraum kann zwischen 10 % und 90 % der kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit liegen. Das bedeutet, dass auch längere Zeiträume mit einer Wochenarbeitszeit von 0 Stunden vereinbart werden können. Das Beispiel, das vielfach angeführt wird, ist etwa eine Kurzarbeitszeit von 6 Wochen, bei der 5 Wochen mit 0 % Arbeitszeit und eine Woche mit 60 % Arbeitszeit vereinbart werden. Die Lage der gekürzten Arbeitszeit ist auf einzelne Wochentage zu verteilen, dabei können branchenspezifische Anforderungen berücksichtigt werden – etwa im Fall von Friseursalons, die montags geschlossen halten. Auch eine Einteilung für Montag bis Donnerstag, wobei der Freitag zum „freien Kurzarbeitstag“ wird, ist denkbar. Bei der Festlegung der Ausfallstunden ist ein Einvernehmen mit dem Betriebsrat herzustellen und den ArbeitnehmerInnen ist die Regelung 5 Tage im Vorhinein mitzuteilen. Gleitzeitvereinbarungen müssen entsprechend angepasst werden. Die Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten ist im selben Prozentausmaß zu kürzen.

  • Lohn/Gehalt

Dem/der ArbeitnehmerIn gebührt für die entfallene Normalarbeitszeit eine Kurzarbeitsunterstützung. Diese wird dem/der ArbeitgeberIn zur Gänze vom AMS durch die Kurzarbeitsbeihilfe ersetzt. Die Kurzarbeitsbeihilfe bemisst sich am durchschnittlichen Nettoentgelt der letzten 13 Wochen vor Beginn der Kurzarbeit, Zulagen und Zuschläge sind einzubeziehen.

Für die ArbeitnehmerInnen führt das zu folgenden Nettoersatzraten, d. h. Prozentsätzen des vor der Kurzarbeit bezogenen Nettoentgelts: Bei einem Bruttoentgelt unter 1.700 Euro beträgt das Entgelt während der Kurzarbeit 90 % des bisherigen Nettoentgelts. Bei einem Bruttoentgelt zwischen 1.700 Euro und 2.685 Euro beträgt das Entgelt 85 % des bisherigen Nettoentgelts. Ist das Bruttoentgelt bis zu 5.370 Euro hoch, beträgt das Entgelt 80 % des bisherigen Nettoentgelts. Für Einkommen bis zu 5.370 Euro ersetzt das AMS dem/der ArbeitgeberIn die Mehrkosten, die sich im Vergleich zur tatsächlichen Arbeitszeit ergeben, nicht jedoch für den Einkommensteil darüber. Lehrlinge erhalten 100 % ihrer Lehrlingsentschädigung.

Während der Kurzarbeit sind die Dienstnehmer- und Dienstgeberanteile zur Sozialversicherung so zu bezahlen, als wäre die Arbeitszeit nicht verkürzt worden. Statt wie bisher ab dem 5. Monat übernimmt das AMS die sich daraus ergebenden Dienstgeber-Mehrkosten bereits ab dem 1. Monat der Kurzarbeit.

  • Urlaub und Zeitguthaben

Vor Beginn oder während der Kurzarbeit müssen ArbeitnehmerInnen im Falle einer Aufforderung durch den/die ArbeitgeberIn tunlichst das Urlaubsguthaben vergangener Urlaubsjahre und Zeitguthaben, soweit diese nicht aus Langzeitguthaben stammen, zur Gänze konsumieren. Unter Langzeitguthaben sind etwa Guthaben aus einer Freizeitoption (insb. bei Umwandlung kollektivvertraglicher Ist-Gehalts-/Lohnerhöhungen in bezahlte Freizeit), aus Sabbatical-Modellen oder aus anderen Arbeitszeitmodellen, welche eine mehrmonatige zusammenhängende Konsumation ermöglichen sollen, zu verstehen.

Wird die Kurzarbeit über 3 Monate hinaus verlängert, müssen im Falle einer Aufforderung durch den/die ArbeitgeberIn 3 Wochen Urlaubsanspruch des aktuellen Urlaubs konsumiert werden. Für die Bemessung des Urlaubsentgeltes ist die Arbeitszeit vor der Kurzarbeit zugrunde zu legen. Konsumiert man also während der Kurzarbeit Urlaub oder wird krank, wird das Entgelt auf Basis der Arbeitszeit vor der Kurzarbeit bezahlt.

  • Kündigungen

Die Behaltepflicht nach Beendigung der Kurzarbeit beträgt unabhängig von der Dauer der Kurzarbeit generell ein Monat. Bei besonderen Verhältnissen kann mit Begründung auch diese entfallen. Kündigungen dürfen frühestens nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen werden.

Fazit

Auch heute noch wird der Einsatz der Kurzarbeit in der Krise 2008/2009 – zusammen mit anderen wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen – als sinnvolles Instrument betrachtet. Kurzarbeit schont grundsätzlich das öffentliche Budget, da mit der Arbeitslosigkeit höhere Kosten einhergehen können, etwa durch Beratungs- und andere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Berechnungen für das in der Finanzkrise geltende Modell zeigten, dass 3 KurzarbeiterInnen hinsichtlich der ausbezahlten Beträge in etwa gleich hohe Kosten verursachen wie ein/e Arbeitslose/r. Auch gesundheitliche und psychologische Aspekte sprechen für den verstärkten Einsatz von Kurzarbeit, denn Arbeitslosigkeit wirkt sich negativ auf die Lebenszufriedenheit und die physische und psychische Gesundheit aus.

Es ist zu früh, um die aktuelle Maßnahme umfassend zu bewerten und deren intendierte Wirkungen und nicht intendierte Effekte einzuschätzen. Allerdings ist gerade angesichts der anhaltenden Diskussion um Entgeltfortzahlung auf den großen sozialpolitischen Nutzen des Kurzarbeitsmodells zu verweisen.

Weiterführende Informationen:

Fragen & Antworten zur Corona-Kurzarbeit

Für Betriebsräte: Vorlagen und Handlungsanleitungen, um Corona-Kurzarbeit im Betrieb zu vereinbaren

Die wichtigsten Fragen & Antworten zu Job und Corona

Eine umfangreiche Analyse der Kurzarbeitsbeihilfe in Österreich von Irene Mandl

Analyse über die Auswirkungen von Kurzarbeit auf Arbeitsplatzsicherung

Studie des Wifo zu Kurzarbeit in Deutschland und Österreich (2011)

Dieser Beitrag wurde am 25.03.2020 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den NutzerInnen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.

Titelbild: oegb.at
 
Artikel teilen/drucken:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.