Linke Perspektiven im Dialog
Nach dem erfolgreichen Auftakt im vergangenen Jahr findet am 1./2. März 2019 die 2. Rosa Luxemburg Konferenz in Wien statt. Zahlreiche Workshops mit nationalen und internationalen ReferentInnen, Podiumsdiskussionen, Buchpräsentationen und kulturelle Rahmenveranstaltungen laden Gäste aus nah und fern ein, um über den Zustand der politischen Linke zu debattieren und Perspektiven für die zukünftige Arbeit zu erörtern.
Man wolle „nicht den Kopf in den Sand stecken, wenn in und um Österreich nationalistische bis faschistische Tendenzen zunehmen, sondern gemeinsam Alternativen zum real existierenden Kapitalismus entwickeln. Armut, Hunger, Krieg, Umweltzerstörung und Ausbeutung können überwunden werden, doch »Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht«“, heißt es in der Ankündigung.
Norbert Wiersbin, der als Gastautor für die Nachdenkseiten aus Österreich berichtet, sprach mit dem Initiator Michael Wögerer über die Gründungsidee und über bereits im Vorfeld der Konferenz auftretende Konflikte innerhalb einer zersplitterten Linken.
Michael, lass uns doch zunächst einmal auf die Geschichte und die Zielsetzungen der Rosa Luxemburg Konferenz in Wien eingehen. Du sagtest, das sei eine Initiative des Onlinemagazins Unserer Zeitung gewesen. Was kannst du uns über Unsere Zeitung und die Idee zur Rosa Luxemburg Konferenz erzählen?
Das Projekt Unsere Zeitung wurde vor rund 5 Jahren gestartet, mit dem Ziel eine linke Online-Zeitung in Österreich zu schaffen. Wir sind zwar noch nicht dort, wo wir gerne hin möchten, aber wir entwickeln uns stetig weiter. Es gibt im österreichischen Blätterwald keine linke (Tages-)Zeitung mehr, es gibt mittlerweile zwar die Möglichkeit, die junge Welt in der Trafik zu beziehen, aber das ist ja bekanntlich ein deutsches Blatt. Nachdem es also schon seit den 90er Jahren keine Arbeiterzeitung mehr gibt, war es unser Ziel, diese Lücke zu füllen. Aber das haben wir bis heute nicht einmal im Ansatz geschafft, weil wir einfach die Ressourcen dazu nicht haben. Das ist immer noch ein ehrenamtliches Projekt und wir haben nicht die Unterstützung, um dafür zum Beispiel Leute hauptberuflich zu engagieren.
Umso erfreulicher ist es dann doch, dass Ihr in diesem Jahr schon die 2. Rosa Luxemburg Konferenz in Wien auf die Beine stellt. Das gelingt Euch ja ganz offensichtlich.
Das gelingt sehr gut, das hat auch damit zu tun, dass es seit über zwanzig Jahren in Berlin die von der jungen Welt ausgerichtete Konferenz gibt. Diese Rosa Luxemburg Konferenz findet immer rund um den Todestag der Namensgeberin (15. Jänner) statt. Das Ziel ist seit damals, die Erinnerung an Rosa und an ihre Ideen wachzuhalten.
Ich war die letzten fünf Jahre zu diesem Anlass immer in Berlin und habe mir das angeschaut. Ich habe gute Kontakte zur Tageszeitung junge Welt und habe auch schon für sie geschrieben. Schließlich habe ich mir gedacht, so eine Konferenz würde es auch in Österreich brauchen. Vielleicht ein bisschen anders, vielleicht mit österreichischen Vorzeichen, so wie wir halt anders sind als ihr Deutschen (lacht).
Ich habe das dann auch in Berlin mal angesprochen, da gab es anfangs noch ein wenig reservierte Bedenken, weil auch wohl gedacht wurde, dass die junge Welt das ausrichten und finanzieren sollte. Ich habe das dann zerstreut und gesagt, wir organisieren uns das selber. Aber ich wollte natürlich nicht ungefragt die Idee einfach aus Deutschland importieren.
Warum gerade Rosa Luxemburg?
Wir hatten am Anfang sogar die Idee, unsere Konferenz nicht nach Rosa Luxemburg zu benennen, sondern haben überlegt, welche Person mit Österreichbezug könnten wir nehmen, eine Integrationsfigur innerhalb der Linken. Das war mir sehr wichtig. Mein Ziel war es, Sozialdemokraten, Sozialisten, Grüne, Kommunisten und Marxisten auf einem Forum zusammenzubekommen, um über die Linke zu diskutieren, über Strategien, um vielleicht sogar eine gemeinsame Plattform zu schmieden. Aber um das zu gewährleisten, könntest du die Veranstaltung nicht etwa „Bruno Kreisky Konferenz“ taufen, denn dann kämen ja nur die Sozialdemokraten. Du kannst sie auch nicht „Lenin Konferenz“ nennen, denn dann kommen nur die Kommunisten. Dann gibt es in Österreich auch Figuren, die in allen Strömungen durchaus einen Namen haben, wie Jura Soyfer zum Beispiel. Ein ehemaliger Sozialdemokrat, der im Vorfeld des kurzen Bürgerkrieges 1934 kritisiert hatte, dass die Sozialdemokraten immer weiter zurückgewichen waren und keinen Widerstand gegen die Zerstörung der Demokratie geleistet haben. Deshalb hat er auch ein berühmtes Buch geschrieben: „So starb eine Partei“. Das wird bis heute auch auf Gewerkschaftsabenden gelesen, das ist also auch im sozialdemokratischen Umfeld durchaus ein Referenzwerk.
Soyfer ist später dann zur Kommunistischen Partei gewechselt. Das wäre eine Figur, die durchaus auch passen würde. Aber das Problem dabei ist, dass es sehr viele Soyfer-Abende gibt, mit Literatur und Musik. Und da hätte dann doch sehr schnell der Eindruck entstehen können, wir machten eine Kulturkonferenz. Und das wollten wir natürlich nicht.
Wir waren also auf der Suche nach einer sozialdemokratischen, sozialistischen oder auch kommunistischen Persönlichkeit, mit der sich viele identifizieren können. Und das ist dann doch Rosa Luxemburg. Sie war Sozialdemokratin, die ihre Partei wegen ihrer Kriegslüsternheit kritisiert hatte, hatte den Spartakusbund gegründet, dann die Kommunistische Partei, hat aber auch gewisse Tendenzen, die Lenin gezeichnet hatte, kritisiert. Sie wird auch als „Linkskommunistin“ bezeichnet, aber wie auch immer, ist Rosa Luxemburg eine historische Figur, mit der sich viele identifizieren können. Und deshalb ist sie so eine wichtige Namensgeberin für solch eine Konferenz, die linke Perspektiven im Dialog diskutiert. Das war dann also klar, dass einerseits der große Bruder in Berlin ist und uns das andererseits ein wenig hilft: Also haben wir die Rosa Luxemburg Konferenz auch nach Wien geholt.
Gibt es aus Berlin auch Unterstützung?
Es gibt vor allem Unterstützung bei der Bewerbung. Die junge Welt ist ja kein finanzstarkes Unternehmen, also können sie uns nicht finanziell unterstützen. Aber sie unterstützen uns moralisch und sie kommen jetzt auch wieder nach Wien und diskutieren mit. Es wird ja immer davon ausgegangen, dass die Konferenzen von der Rosa Luxemburg Stiftung unterstützt werden, aber das ist nicht der Fall. Wir haben allerdings inzwischen Kontakt zu dieser Stiftung und zwar in Sachsen. Der Vorsitzende Peter Porsch wird in diesem Jahr zu uns kommen, um auf einer der beiden Podiumsdiskussionen teilzunehmen und eventuell gelingt es uns im nächsten Jahr, eine Kooperation zu realisieren.
Die Konferenz findet in der Volkshochschule in Wien Hietzing statt, die das als eine ihrer Bildungsveranstaltungen anbietet. Dafür werden dann 8 Euro Gebühren erhoben und darüber können auch Anmeldungen erfolgen.
Ja, aber man muss sich nicht über die VHS Hietzing anmelden, es gibt auch eine Tageskasse. Diese Bildungseinrichtung ist ein toller Kooperationspartner, ohne die würden wir es gar nicht schaffen. Der Direktor der VHS Hietzing sieht unsere Konferenz auch als eine Bildungsveranstaltung, die dazu beitragen soll, dass die Menschen auch einmal über ihren Tellerrand hinaussehen. Das ist mutig und verdient volle Anerkennung.
Es gibt ja über dreißig Workshops, zwei große Podiumsdiskussionen und kulturelle Veranstaltungen. Das hat also alles auch durchaus einen Bildungscharakter.
Wir müssen, um die Kosten zu refinanzieren, einen kleinen Eintritt verlangen, schließlich wollen wir z.B. auch die Künstler angemessen honorieren. Und ich denke, für den Zweitagespass 8 Euro zu zahlen und für die Tageskarte 5 Euro, kann sich fast jeder leisten. Für BesitzerInnen des „Kulturpasses“, eine Aktion, die Menschen mit wenig Geld den Besuch von kulturellen Veranstaltungen ermöglicht, gibt es auch einen ermäßigten Eintritt.
Es geht halt nicht anders, als einen Kostenbeitrag zu erheben. Wir haben es im letzten Jahr noch über freiwillige Spenden versucht, aber das klappte leider nicht. Und schlussendlich bedeutet diese geringe Gegenleistung doch auch eine gewisse Wertschätzung für unser Angebot.
Lass uns noch über die Bruchlinien innerhalb einer zersplitterten Linken sprechen. Auch wenn das kein angenehmes Thema ist, sollten wir es doch nicht unter den Teppich kehren. Bereits im Vorfeld gab es heuer rüde Angriffe gegen euch und ausgesuchte Referenten der Konferenz. Warum wird schon wieder eine linke Initiative, die sich breit aufstellt, in den Dreck gezogen? Was ist das für eine Truppe, kennst du die näher?
Die Angriffe gegen uns und einzelne Teilnehmer kamen rund drei Wochen vor der Konferenz wie aus heiterem Himmel. Eine Plattform, die ich hier nicht näher nennen möchte, zog ihre Unterstützung und den angemeldeten Infotisch zurück, weil wir – ihrer Ansicht nach – „antisemitischen Inhalten“ Platz geben würden. Das ist eine infame Unterstellung, die uns – auch aus persönlichen Gründen – tief getroffen hat und wir haben diesen Vorwurf in einer Stellungnahme auf das Entschiedenste zurückgewiesen.
Das spannende an der Konferenz ist ja, dass wir eine sehr breitgefächerte Unterstützung bekommen, von Trotzkisten, bis Antiimperialisten, bis Sozialdemokraten, Grüne, Gewerkschaften, viele sind an der Rosa Luxemburg Konferenz beteiligt. Es gibt unterschiedliche Spektren.
Wir haben in unserer Stellungnahme deutliche gemacht, dass wir uns dezidiert gegen Antisemitismus, gegen Rassismus jedweder Art, gegen Sexismus usw. aussprechen, aber wir haben auch klar gemacht, dass wir es uns nicht aufs Auge drücken lassen, dass manche Organisationen die Definitionsmacht erobern und noch dazu sagen, wenn „die“ nicht ausgeladen werden, kommen wir nicht. Das ist ein Punkt, an dem wir sehr allergisch reagieren, das ist einfach nur anmaßend. Wir organisieren diese Konferenz als Forum für linken Dialog.
Wenn ich mir in Europa die Linke so anschaue, dann scheint mir diese doch sehr darin geübt, sich selbst zu zerlegen. Und ich würde nicht ausschließen wollen, dass solche Angriffe nicht doch gezielt geführt werden und darüber versucht wird, jede Initiative schon im Keim zu ersticken und ihre Protagonisten mundtot zu machen. Das sind ja die bekannten Totschlagargumente: Antisemitismus, Antiamerikanismus, Querfront. Wir wissen doch inzwischen, aus welcher Ecke das kommt und wo diese semantischen Kinder geboren sind und welche Intentionen damit verfolgt werden. Wir sollten meines Erachtens nicht so naiv sein zu glauben, das spuckt jetzt irgendjemand aus, weil er gerade mal Bauchweh hat. Nein, das sind durchdachte Kopfgeburten!
Ja, es geht auch um die Definition, was ist links!? Da hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges verschoben: „Links“ heißt z.B. Refugees welcome, offene Grenzen. Das ist heute das Verständnis der „normalen“ Leute in Österreich, das hörst du immer wieder, wenn du denn mal wirklich zuhörst.
Ein Thema, ein Workshop auf unserer Konferenz wird eine Buchpräsentation sein: „Kritik der Migration“ von Hannes Hofbauer, einem renommierten Verleger vom Promedia Verlag, einem linken Verlag. Auch deshalb werden wir angegriffen, dass es nicht sein darf, aus einer linken Perspektive eine solche Kritik zu führen.
Aus dem gleichen Grund zieht ja auch in Deutschland eine Sahra Wagenknecht alle Pfeile auf sich.
Ja, genau. Sahra Wagenknecht ist auch in diesem Schussfeld, dass sie die „linke Braune“ ist, die „linke AfDlerin“ und was auch immer. Auch hier der gleiche Vorwurf: Querfront. Sie schafft es noch sehr gut, das aufzuhalten, aber bei uns gibt es so eine Figur wie Wagenknecht nicht und auch keinen Oskar Lafontaine. Es gibt in Österreich zwar manche Verlage oder Organisationen, die ähnliche Positionen vertreten, aber dann eben herausgeschossen werden sollen aus so einer Konferenz, weil sie in der Linken keinen Platz haben dürfen. Und dagegen verwehre ich mich massiv. Diese Konferenz kann das diskutieren, ich sage nicht, dass ich hundertprozentig einverstanden mit allen Positionen bin, die diese oder jene Organisation vertritt. Aber mein Ziel ist ja nicht eine Konferenz des Konformismus, auf der wir zu allem Ja und Amen sagen, sondern eine Konferenz, auf der wir inhaltlich diskutieren. Gerne auch streiten, dann aber solidarisch streiten. Es kann ja nicht sein, dass jemand sagt, du darfst dort nicht sein, denn du bist Antisemit, weil ich das sage.
Da sind wir bei der Problematik der Deutungshoheit: Was ist links und was nicht und manche nehmen sich heraus, das zu definieren, teils mit radikaler und rabiater Rhetorik. Und wenn das nicht hilft, dann werden die schweren Geschütze aufgefahren.
Und was bedeutet für dich „links“ sein?
Es gibt ein schönes Zitat von Ernesto „Che“ Guevara, das folgendermaßen lautet: »Seid vor allem immer fähig, jede Ungerechtigkeit gegen jeden Menschen an jedem Ort der Welt im Innersten zu fühlen. Das ist die schönste Eigenschaft eines Revolutionärs.«
In diesem Sinne bedeutet für mich links sein auf der Seite der Unterdrückten zu stehen, international zu denken, Ungerechtigkeiten zu fühlen, in weiterer Folge öffentlich anzuprangern und zu bekämpfen.
Michael, ich wünsche Dir und Deinen MitstreiterInnen eine ergebnisorientierte Konferenz, der es gelingen soll, die Gräben zu überwinden und gemeinsame Perspektiven zu entwickeln. Nur vereint werden wir dem rechten Zeitgeist etwas entgegen zu setzen haben. Ich danke Dir für dieses offene Gespräch. Viel Erfolg!
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Zur Person:
Mag. Michael Wögerer, studierte Politikwissenschaften an der Uni Wien und verbrachte ein Auslandssemester in Havanna (Kuba). Er war Redaktionsassistent bei der Austria Presse Agentur (APA) und ist heute Projektleiter des entwicklungspolitischen Vereins weltumspannend arbeiten im ÖGB. Ehrenamtlich betreibt er das Internetmagazin Unsere Zeitung und ist seit 2018 einer der Initiatoren und Organisatoren der Rosa Luxemburg Konferenz in Wien.
Titelbild: Das Abschlusspodium der Rosa Luxemburg Konferenz 2018 in der VHS Hietzing (Foto: Fritz Bader)