Keine Kohle für Kohlekraft? Kohle-Ausstieg rechtlich zulässig
Die Stilllegung von Kohlekraftwerken steht ganz oben auf der To-do-Liste Deutschlands. Ein Rechtsgutachten gibt nun grünes Licht dazu – auch ohne Entschädigungsforderungen der Industrie nachkommen zu müssen.
Von R. Manoutschehri
Im Zuge der Diskussion um geeignete Maßnahmen für Emissionssenkungen von CO2 und Luft-Schadstoffen steht die Stilllegung von Kohlekraftwerken ganz oben auf der To-do-Liste Deutschlands und gesamt Europas. Auch wenn die wirtschaftlichen Interessen der Industrie dadurch eine Schmälerung erhalten sollten. Ein diesbezügliches Begehren von Kohlekraftwerk-Betreibern dürfte jetzt aber wohl vom Tisch sein:
Ein vom Bundesumweltministerium veröffentlichtes Gutachten zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Kohleausstieg kommt nun zu dem Schluss, dass ein vorzeitiges Ende für Kohlekraftwerke mit dem Grundgesetz und dem EU-Recht vereinbar ist. Dem Gesetzgeber ist es verfassungsrechtlich gestattet, den Betrieb von Kraftwerken vorzeitig einzustellen. Er darf auch in geltende Genehmigungen eingreifen.
Ausgleichspflichten?
Nein. Nach Aussage der Gutachter handelt es sich nicht um eine Enteignung im Sinne des Grundgesetzes, sondern um eine sog. Inhalts- und Schrankenbestimmung. Sie kommen deshalb zum Schluss, dass die Kraftwerksbetreiber bei entsprechender Ausgestaltung keinen Anspruch auf finanzielle Ausgleichsleistungen hätten. Übergangs- und Härtefallregelungen könnten im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes allerdings empfehlenswert sein.
Als Leitkriterium für die Stilllegungsreihenfolge empfehlen die Verfasser den spezifischen CO2 Ausstoß der jeweiligen Anlagen. Weitere Kriterien sollten nach ihrer Auffassung der Amortisationsumfang und die Versorgungssicherheit sein, ebenso gegebenenfalls die regionale Wirtschaftsstruktur. Das Alter der Anlagen allein, ohne Berücksichtigung des spezifischen CO2-Ausstoßes, sehen sie hingegen nicht als geeignetes Kriterium an.
Atom-Ausstieg als Vorbild
In ihrem Gutachten ziehen die Autoren eine Parallele zum Atomausstieg und kommen zu dem Ergebnis, dass es eine Reihe von Gemeinsamkeiten gibt. Neben einem weitgehenden gesellschaftlichen Konsens über die Notwendigkeit des Ausstiegs stellen sie eine vergleichbare Eigentums- und Bestandsschutzproblematik fest. Auch zu den Themen Gleichbehandlung, Enddatum und Stilllegungsreihenfolge finden sie Entsprechungen. Mögliche Elemente eines Kohleausstiegsgesetzes ließen sich deshalb dem Atomgesetz entnehmen.
Die 400 Seiten Studie von Rechtsprofessor Dr. Thomas Schomerus, Leuphana Universität Lüneburg, und Rechtsanwalt Gregor Franßen dient den 31 Mitgliedern der Kohlekommission als Arbeitsgrundlage für ihren Vorschlag zum Kohleausstieg. Die Kommission wird ihren Abschlussbericht im Januar des nächsten Jahres vorlegen.
Zum Nachlesen, warum wir dringend aus den fossilen Energien aussteigen müssen: Kohlekraft fordert 7.600 vorzeitige Todesfälle, obwohl sie durch Wind und Sonne zu ersetzen wäre