Trump will’s wissen
Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten war für Millionen auf der ganzen Welt ein Schock. Seit seiner Angelobung wird deutlich, dass mit der “Ära Trump” kein Stein auf dem anderen bleiben wird.
Von Gernot Trausmuth
Schon am Tag nach der Angelobung beteiligten sich unvorstellbare Menschenmengen (Schätzungen sprechen von 3 Millionen!) an den Kundgebungen des „Women’s March“ und zeigten, dass sie nach Trumps sexistischen Untergriffen im Wahlkampf nicht tatenlos zuschauen würden, wie von den Konservativen das Rad der Zeit zurückgedreht wird.
Seitdem lässt Trump keinen Zweifel daran aufkommen, dass er mit seinem reaktionären Kurs Ernst machen will. In etwas mehr als einer Woche im Weißen Haus hat der neue US-Präsident durch die Unterzeichnung von mehr als einem Dutzend Dekrete eine Welle der Entrüstung und auch des offenen Protests ausgelöst.
Einer seiner ersten Akte war die Außerkraftsetzung von Obamacare, d.h. die unter seinem Vorgänger eingeführte Verpflichtung eine Krankenversicherung abzuschließen. Aus einer linken Perspektive war Obamacare abzulehnen, weil dieses Modell in erster Linie ein Programm zur Ankurbelung der Profite privater Versicherungskonzerne darstellte, während nur die Ärmsten der Armen eine öffentliche Unterstützung erhielten. Doch für Trump & Co. geht es um etwas anderes. Sie lehnen aus Prinzip eine Ausweitung sozialer Dienstleistungen für Arme ab und meinen, der Staat solle sich aus solchen Belangen völlig heraushalten. Trump will, dass alles der Markt regelt, doch dieser Ansatz wird erst recht die Versicherungsprämien ansteigen lassen und dafür sorgen, dass viele Menschen keine Krankenversicherung haben.
Ein weiteres Dekret untersagt die Vergabe von Subventionen an Organisationen, die Abtreibungen im Ausland durchführen oder dazu beraten. Die Nachbesetzung von Richterposten im Obersten Gerichtshof dürfte das Kräfteverhältnis dort weiter zugunsten rechter Abtreibungsgegner verschieben. Der Kampf um Abtreibungsrechte wird in der kommenden Periode angesichts der Dominanz reaktionärer Kräfte in der Republikanischen Partei daher eine zentrale Bedeutung erlangen.
Einen ersten direkten Angriff auf die organisierte Arbeiterbewegung lieferte Trump mit der Anordnung eines Aufnahmestopps von öffentlich Bediensteten im Bundesdienst. Somit sollen Pensionierungen und frei werdende Stellen nicht mehr nachbesetzt werden.
Großes Aufsehen erregte auch das Dekret, wonach das heiß umstrittene Pipeline-Projekt auf dem Gebiet der Dakota, das Obama nach den massiven Protesten in Standing Rock gestoppt hatte, doch vollendet werden soll. Zwar wurde das bisherige Protestcamp vorläufig geschlossen, doch hat der Sprecher des Sioux-Stammes Standing Rock, Dave Archambault, bereits angekündigt, dass sie gegen die Entscheidung Trumps weiterkämpfen werden.
Ein zentrales Projekt von Trumps Präsidentschaft ist die Verschärfung der Grenzkontrollen zu Mexiko. Symbolhaft dafür steht die Idee, eine 2.000 Meilen lange Mauer entlang der Grenze zu errichten, was alleine rund 10 Milliarden Dollar kosten würde. Außerdem sollen 5.000 zusätzliche Grenzbeamte angestellt werden. Finanzieren will Trump dies mit einem 20%-Zoll auf Importe aus dem südlichen Nachbarland. “Mexiko soll zahlen”, ist die Devise der Rechten. Diese Politik wird die Beziehungen zu einem der wichtigsten Partner der USA in Wirtschafts- und Sicherheitsfragen schädigen, was mittelfristig verheerende Folgen haben wird. Die Migration in die USA war in den vergangenen beiden Jahrzehnten ein wichtiges Ventil, um die sozialen Konflikte in Mexiko abzumildern. Wenn diese Chance wegfällt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis in Mexiko soziale und politische Unruhen ausbrechen. Ein Überspringen dieses Funken wird durch eine 11 Meter hohe Grenzmauer nicht möglich sein.
Das Fass zum Überlaufen brachte aber Trumps Dekret, welches Bürgern aus sieben Staaten mit muslimischer Mehrheit (Syrien, Jemen, Irak, Iran, Sudan, Somalia, Libyen) die Einreise verbieten soll. Dazu sollen alle Refugees die Einreise in die USA verweigert werden, Ausnahmen soll es nur für religiöse Minderheiten (sprich Christinnen und Christen) geben, womit der islamfeindliche Inhalt dieses Dekrets mehr als offensichtlich wird. Diese zunehmende Islamophobie fand auch bereits seinen Ausdruck in einem Anstieg an Gewaltakten gegen Muslime, allen voran das Attentat auf eine Moschee in Quebec City durch einen weißen Rassisten.
Dieses Dekret war aber eins zu viel. Spontan demonstrierten Tausende Menschen an Flughäfen im ganzen Land gegen diese rassistische Politik. Die Vereinigung der New Yorker Taxifahrer schloss sich dem Protest an und weigerte sich Transporte vom JFK-Flughafen zu übernehmen. Eine Bundesrichterin in New York hob daraufhin temporär die Abschiebungen durch die Homeland Security auf.
Heftige Kritik erntete Trump dafür jedoch auch von Großkonzernen wie Google & Co. Der CEO von Starbucks, Howard Schultz, hat daraufhin erklärt, sein Unternehmen würde in den nächsten fünf Jahren weltweit 10.000 Jobs für Refugees schaffen. Abgesehen davon, dass Starbucks schon jetzt seinen Angestellten niedrige Löhne zahlt und auf diesem Weg die Lohnkosten weiter drücken könnte, haben wir es hier mit einem Aufschrei von Teilen des US-Kapitals zu tun, die ihre Interessen durch Trumps protektionistische Wirtschaftspolitik bedroht sehen. Es sollte uns nicht überraschen, wenn in der herrschenden Klasse die Spaltungslinien anhand dieser Frage immer deutlicher auftreten werden.
Der Women’s March und die spontane Protestwelle gegen den #muslimban läuten jedenfalls in den USA eine turbulente neue Phase ein. Mit Trump im Weißen Haus zieht eine neue Normalität in die US-Gesellschaft ein, und die wird geprägt sein von massiven politischen und sozialen Kämpfen, in denen sich die Frage nach einer neuen linken Massenpartei stellen wird. Aber auch international wird Trump einen Anlass nach dem anderen für Massenproteste bieten. Die Großdemos in Großbritannien gegen einen bevorstehenden Staatsbesuch Trumps sind da nur ein erstes Anzeichen, worauf wir uns zukünftig einstellen können.
Foto: Anti-Trump-Protest (public domain); Donald Trump (Gage Skidmore/flickr.com; Lizenz: CC BY-SA 2.0); Titelbild: Emily Ratajkowski