Der Papst auf Pole Position: Zwei Jahre Unsere Zeitung.
[3K – Massenmedien am Montag: Folge 74]
900 redaktionelle Beiträge, 191.420 Seitenaufrufe; Facebook-Views, die in die zehntausende gehen. Das klingt nach dem Tagesgeschäft eines mittleren Medienhauses, ist aber die zweijährige Bilanz von Unserer Zeitung. Am 4. Juli 2014, vor genau zwei Jahren also, ging das Medium erstmals online.
„Man nimmt uns als professionelles, großes Werkl wahr, weil wir auf Facebook so aktiv sind.“, meint Mike, dessen Kopfgeburt das Projekt ist.
„Nicht unterscheidbar, ihr teilt zu viel Fremdcontent.“, entgegnet eine Kollegin beim Kaffee jüngst.
In der journalistischen Blase werden wir fix wahrgenommen, es trudeln immer wieder Bewerbungen ein und wir haben auf Facebook mokant, Mosaik und DOSSIER bereits überholt. Die Tageszitate rennen sehr gut (Michel Reimon und der Musiker Lakis Jordanopoulos teilten jenes zu Altenfelden). Zur Jahreswende wurde DATUM-Gründer Klaus Stimeder auf uns aufmerksam. Das liegt an dieser Folge der Kolumne. Stimeder teilt den Text, der das Heft von NZZ.at kritisiert. Stefan Kaltenbrunner, Ex-Chef vom DATUM, empört sich daraufhin per Mail wegen einer dummen Formulierung. Stimeder löscht den Link, wir bringen ein Erratum. So weit, so professionell.
Letzten Sommer wurden wir vom Manstein-Verlag zum Medienzukunftspreis eingeladen, ohne etwas zu erwarten. Zurecht: Eine Streaming-App und Runtastic siegen. Unterdessen wächst die Liste der KooperationspartnerInnen (siehe Seitenende).
Andererseits muss man der Kollegin recht geben, denn noch teasern wir kaum Inhalte dieser PartnerInnen, sondern teilen vor allem Artikel der linken Blätter junge Welt, neues deutschland und auch solche der Wiener Zeitung. „Weil wir mal in die Richtung gehen wollen.“, heißt es intern. „Damit wir tagesaktuell wirken.“, wird gesagt. Es gibt auch dieses Argument: „Weil die Wiener Zeitung allen gehört, quasi Unsere Zeitung ist, halt Besitz der Republik.“ Wir tragen zur unentgeltlichen Sharing-Nichtökonomie bei und featuren sogar den Heiligen Stuhl.
Nach knapp einem Jahr hält sich eine Rede von Papst Franziskus nämlich immer noch auf Platz eins der meistgelesenen Beiträge: 15.701 Aufrufe zählt sie seit ihrer Veröffentlichung am 12. Juli 2015 (Stand: Sonntagfrüh). Wochenlang lag sie auf der Pole Position der sechs täglichen Top-Beiträge. Das hat genervt. Die stärkste Eigenleistung ist ein Kommentar zur BundespräsidentInnenwahl (14.049 Aufrufe seit dem 25. April).
Bislang war von vielen Männern die Rede. Dabei tragen auch viele Frauen wertvolles zu diesem Webzine bei, zuletzt etwa Anna Muhr (schon wieder ein Kommentar!). Eh, hier gibt es zu viele Kommentare. Leider sind Kommentare oder OTS-basierte Berichte gratis schneller erledigt als Reportagen.
Spätestens in zwei Jahren wird sich weisen, ob Unsere Zeitung wie fm5, indymedia und andere linke Kanäle im Nirvana endet oder es schafft, durch LiebhaberInnen, durch die Crowd zu überleben, alternativ zu bleiben, aber professionell zu werden. Spoiler: Ein Konto wird gerade eröffnet.
Karikatur: DonkeyHotey – Pope Francis – CaricaturePope Francis – Caricature. Lizenz: CC BY-SA 2.0