Sexismus aus der Egoperspektive
Geht es um Videospiele, wird in den Medien stets die Gewaltfrage thematisiert, nicht jedoch die Frage um sexistische und herabwürdigende Inhalte betreffend Frauen. Das ist besorgniserregend. Von Niklas Böck
Wenn Mensch sich die aktuelle Landschaft der Videospielindustrie ansieht, bemerkt er oder sie rasch, dass den verantwortlichen Publishern dieser Spiele eines ziemlich wichtig sein muss: Konkurrenzkampf. Wenig verwunderlich, so beachtet man die Anzahl der veröffentlichten Spiele im Monat, jetzt noch verglichen mit der Anzahl und Opulenz der beispielsweise noch vor 15 Jahren veröffentlichten Games, wird schnell klar, dass das Bestehen in besagter Branche kein Zuckerschlecken sein kann.
Immer größer, immer schöner und generell aufwändiger werden Konsolen – und Computerspiele, doch worin sie (fast) alle rückständig sind ist ihre Darstellung und Interpretation von Frauen und Weiblichkeit. Ob es rein daran liegt, dass immer noch über 80 Prozent aller SpielerInnen männlich sind, oder die Industrie intern ebenso männerdominiert ist wird sich in gängigen Umfragen vermutlich nicht wissenschaftlich ablesen lassen können. Dennoch ist es Fakt, dass die überwiegende Mehrzahl der Videospiele durch die Bank sexistisch ist.
Was zunächst provokant klingt, lässt sich schnell direkt in den Spielen überprüfen. Gefühlt jede Neuerscheinung birgt massive Unterdrückungsmechanismen und problematische Darstellungen von weiblichen Charakteren, beziehungsweise der generellen Rolle der Frau in unserer Gesellschaft. Egal wie kreativ und gefinkelt die Storywriter und Creative Director die Spiele aufziehen, ohne Sexismus kommen die wenigsten aus. So ist es beispielsweise in überwältigend vielen Fantasy-Parallelwelten Gang und Gebe sich als weibliche Kriegerin – entgegen jeglicher Praktikabilität – mit freizügigen Bikini/Latex-Kampfmonturen zu kleiden, um die eigene Spezies zu retten. Da gleichen sich die Universen abseits ihrer sonstigen Diversität fast immer. Schließlich kann man sowohl als Korsett tragende Magierin, wie auch als latex-affine Weltraumsoldatin das Patriarchat schützen. Eigentlich ein Fortschritt, dass wir überhaupt schon an der Seite von weiblichen Protagonisten spielen dürfen und sogar selbst in die, wohl gemerkt stets schöngeformten und „attraktiven“, femininen Hüllen schlüpfen dürfen. Spielereihen wie „The Legend of Zelda“, „Super Mario“ und „Resident Evil“, in denen das weibliche und wortwörtlich „schwächere“ Geschlecht andauernd gerettet und beschützt werden will, waren bzw. sind Verkaufshits und genießen sowohl unter Fans als auch Fachpresse hohe Achtung und Wertungen. Schon klar, die Zeiten in denen wir als bärtiger Installateur unsere Prinzessin aus dem Schloss gerettet haben sind vorbei, um aber die dramaturgisch – spielerische Relevanz der weiblichen Charaktere nicht überzustrapazieren, weiß der gemeine Spieleentwickler von heute, seine Spieler (Hier zu gendern wäre eine Farce) mit optionalen, (noch) erotischeren Outfits und Möglichkeiten zu unterhalten.
Entwickler „Tecmo“ etwa baute in eines seiner Spiele die Möglichkeit ein, die Brüste der Protagonistinnen per Bewegungssteuerung zum Wackeln zu bringen. Damit hat ein weiteres japanisches Entwicklerstudio dazu beigetragen das digital-sexistische Kuriositätenkabinett in seiner Hemisphäre zu stärken. Erreicht wurde damit spielerisch nichts, doch die Gaminglandschaft feierte das als humorvoll, Spielezeitschriften kritisierten kaum, es folgte schmerzliches antifeministisches Schweigen. Was der Standort Japan vor allem optisch schaft, macht der Westen viel raffinierter durch allgemeine Darstellung.
Am Cover des aktuellen „Assassins Creed“ wird schnell deutlich wie hier die Rollenverteilung aussieht. Obwohl die beiden HauptprotagonistInnen, sowohl spielerisch, als auch erzählerisch absolut gleichgestellt sind, steht der weibliche Charakter klar hinter dem männlichen. Traurig genug, dass die Gründe hierfür schnell gefunden sind, bessere Verkaufszahlen und allgemeine sexistische Testosterongestörtheit bestimmen ja schließlich den gesamten Markt.
Frustrierend ist auch die allgemeine Spirale der Frauenverachtung innerhalb der Szene. Zum einen verkaufen sich Spiele, die aus der Norm ausbrechen tendenziell schlechter, was zu wenig Mut bei Spielestudios führt, zum anderen das Desinteresse der Fachpresse an dem Thema. Kaum ein Medium fasst die Thematik des Sexismus in Videospielen auf, die Begrifflichkeiten „pupertär“ und „hohl“ welche hier und da zu gewissen solchen Inhalten formuliert werden, sind vergleichsweise eine frauenbefreierische Bastion in der Gamingszene.
Fotos: Ninja Gaiden: screenshot (youtube), Assassins Creed: gameware.at
Gibt denn Vorschläge für Spiele, die nicht sexistisch sind bzw. bewusst den gängigen Spielen entgegensteuern? Ein paar Tipps wären super!
Spiele, die dieser Hegemonie entgegensteueren gibt es selten, zumindest nicht effektiv feministisch. Allerdings wären hier einige Alternativen zu nennen, sofern man eine Gleichstellung zwischen Mann und Frau in Spielen sucht:
The Last of Us: Ein großartiges Erlebnis, welches den zwei Hauptcharakteren unabhängig von ihrem jeweiligen Geschlecht gleichermaßen Bedeutung und Aufmerksamkeit schenkt und auch sonst generell eine ungewohnt starkes Bild der Frau vermittelt.
Fallout 4: Klingt komisch ist aber so. In der postapokalyptischen Spielwelt habe ich es selbst mit sehr kritischem Spielerauge nicht geschafft, irgendwelche frauendiskriminierenden Inhalte auszumachen. Die gesamte Spielwelt kommt ohne Sexismus aus und schafft es Mann und Frau absolut gleichzustellen, ja manchmal sogar ungewöhnlich vielen weiblichen Figuren Spielraum zu geben. Von der weiblichen Begleiterin bis zur Todeskrallen Matriarchin ist alles dabei.
Mirrors Edge: Schon etwas älter, aber nicht minder spielbar! Was soll ich sagen? Einfach großartig zu sehen, wie sich eine starke weibliche Hauptfigur dem männlichen Establishment entledigt, indem sie der Exekutive in die Weichteile kickt.
Ähnliche Beispiele würden sich bestimmt noch ein paar finden lassen, allerdings würde ich es abstreiten, dass es irgendein Spiel gibt, welches dezidiert feministisch ist.