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Shell means Hell

Während im Norden Nigerias die Terrororganisation Boko Haram ihr Unwesen treibt, ist es im Süden ein anderer Akteur der Menschen gewaltsam ihrer Lebensgrundlage beraubt. Der Erdölkonzern Shell führt im Niger-Delta einen stillen Krieg, abseits der Weltöffentlichkeit. Anstatt Köpfen rollt der Rubel. Obwohl Kritiker auch schon mal den Kopf hinhalten mussten. Ein Rückblick auf über 50 Jahre Shell-Engagement in Nigeria. Von Katrin Pointner

Nigeria ist der größte Erdölexporteur Afrikas und Shell war der erste Konzern der in dem westafrikanischen Staat Öl förderte. Seit über 50 Jahren ist der Milliardenkonzern Shell in Nigeria aktiv und beteiligt sich an der Ausbeutung der vorhandenen Erdölreserven. In der Bilanz des Unternehmens, scheinen nicht nur Milliardengewinne auf, sondern auch die Beteiligung an der Exekution nigerianischer Umweltaktivisten, die Unterstützung diktatorischer Regime, Korruption und die langfristige Zerstörung der Lebensgrundlage tausender Menschen.

Bewohner haben Interesse an Umweltverschmutzung, sagt Shell

„Die Bewohner des Niger-Deltas haben ein Interesse an der Verschmutzung ihres Wohngebietes, da sie sich Geld erhoffen.“, sagt ein Shell-Sprecher zur Frage nach den massiven Umweltverschmutzungen im Süden Nigerias. Dort hat das Öl seine schmierigen, tödlichen Spuren hinterlassen. Die Fische schmecken nach Benzin, die Bäume sind tot und das Wasser vergiftet. Die Lebensgrundlage tausender Menschen de facto zerstört. Die Bewohner des Nigerdeltas lebten von der Fischerei und der Landwirtschaft. Beides ist heute nicht mehr möglich. Ein Sprecher von Shell unterstellt diesen Menschen nun sie hätten die Verschmutzung ihres Wohngebietes nicht nur selbst verschuldet, sondern auch gewollt und würden auf Schadensersatzzahlungen spekulieren. Geld haben die meisten Betroffenen noch nie von dem Energieriesen erhalten. Nach der Ölkatastrophe 2008 im Ogono-Gebiet, zahlte Shell nun erstmals im Jänner diesen Jahres, 7 Jahre später, 50 Millionen Euro Schadensersatz an die betroffenen Bewohner. Kritiker bemängeln, dass dieser Betrag zu gering sei, um die vorliegenden Umweltschäden zu beseitigen und den Betroffenen ein neues Leben zu ermöglichen. Außerdem zahle Shell diesen Betrag aus der Porto-Kassa, sagt der Journalist und Nigeria-Experte Heinrich Bergstresser.

Illegale und legale Diebstähle

Die Öllecks in den Pipelines, die zu den katastrophalen Umweltschäden im Niger-Delta führen, seien die Folge illegaler Diebstähle und Sabotageakte, behauptet Shell auf seiner Website. In 75% der Fälle seien Diebe und Rebellengruppen für das auslaufende Öl verantwortlich, das die Natur, das Wasser und letztendlich die Menschen vergiftet. Die restlichen 25% gehen demnach auf das Konto des Ölkonzerns, obwohl dieser abstreitet, alte und für Öllecks anfällige Rohre zu verwenden. „Shell war nie der primäre Verursacher“, so ein Sprecher des Unternehmens. Diverse Umweltorganisationen sehen das anders. Die Infrastruktur sei veraltet, die Wiederherstellung und Reparatur der beschädigten Pipelines würde nicht rasch genug oder gar nicht vorgenommen, sagt die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die sich seit Jahren mit der Tätigkeit Shells in Nigeria befasst.

2011 gab die nigerianische Regierung eine umfassende Studie in Auftrag, die die Umweltsituation im Ogoni-Gebiet dokumentieren sollte. Durchgeführt wurde die Studie von dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), finanziert von Royal Dutch Shell. Dabei wurden wie erwartet, dramatische Umweltverschmutzungen festgestellt. Im Rahmen der Untersuchung wurde unter anderem Shell als Schuldiger gelistet und ein umfangreicher Aktionsplan ausgearbeitet, der die Ölgesellschaft dazu verpflichten sollte, ihre Umweltstandards zu erhöhen und eine Reinigung des betroffenen Gebietes durchzuführen. Greenpeace-Sprecher Markus Meus kritisiert, dass diese Forderungen bis heute nicht umgesetzt wurden.

Wikileaks enthüllt Shell-Einfluss auf nigerianische Regierung

Im Dezember 2010 berichtet die Süddeutsche Zeitung über brisante Informationen, die  die Enthüllungsplattform Wikileaks über Shells politischen Einfluss in Nigeria veröffentlicht hatte. Den Berichten zufolge, soll der Ölkonzern Mitarbeiter in alle wichtigen Ministerien in Nigeria eingeschleust haben, um stets über die aktuellen Entwicklungen im Öl-Sektor informiert zu sein. Die Shell-Managerin Ann Pickard soll, laut den veröffentlichten Daten, geprahlt haben, dass Shell die nigerianische Regierung infiltriert habe.

Shells Einfluss auf die nigerianische Regierung sei unbestreitbar, weiß auch der Journalist und Nigeria-Experte Heinrich Bergstresser, dessen Buch „Nigeria: Macht und Ohnmacht am Golf von Guinea“ unter anderem die schmutzigen Ölgeschäfte in dem westafrikanischen Staat thematisiert. In der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Nigerias Jonathan Goodluck (2010- 2015), habe die Korruption floriert, weiß Bergstresser. Nicht nur Shell habe sich an illegalen Geschäften beteiligt, auch andere nigerianischen Ölgesellschaften steckten tief im Sumpf der Korruption. Doch jetzt weht ein anderer Wind im bevölkerungsreichsten Land Afrikas. Der aktuelle Präsident Muhammadu Buhari, der seit Mai 2015 im Amt ist, ist ein erklärter Gegner aller korrupten Aktivitäten und hat als eine seiner ersten Amtshandlungen den gesamten Vorstand der National Nigerian Petroleum Company entlassen. Eine Nulltoleranzpolitik gegen jede Art von Korruption schreibt sich der amtierende Präsident auf seine Fahne. Wie effektiv und realistisch diese Ankündigungen einzuschätzen seien werde sich aber noch zeigen, meint Nigeria-Experte Bergstresser.

Hinrichtungen von Umweltaktivisten in Nigeria

In der Vergangenheit war die politische Situation in Nigeria vor allem für Umweltaktivisten gefährlich. 1995 wurde der nigerianische Schriftsteller und Umweltschützer Ken Saro-Wiwa von der damaligen Militärdiktatur unter Sani Abacha, nach einem kurzen Prozess, zum Tode verurteilt und gehängt. Acht seiner Mitstreiter wurden ebenfalls hingerichtet. 2009 zahlte Shell schließlich Schadensersatz an die Angehörigen der Opfer. Als Schuldeingeständnis sollte dies aber nicht gewertet werden, stellte der Milliardenkonzern klar. Vorausgegangen war den Schadensersatzzahlungen ein Prozess der in den USA gegen den Ölkonzern geführt wurde. Shell wurde eine Mitverantwortung an den Hinrichtungen zur Last gelegt. Zeugen die gegen die Umweltaktivisten aussagten, sollen von Shell-Mitarbeitern bestochen worden sein. Unmittelbar vor der Verhandlung in New York erklärte sich Shell bereit 15,5 Millionen Dollar Schadensersatz an die Hinterbliebenen der Opfer zu zahlen. Ob das Geld jemals wirklich bei den Betroffenen angekommen ist, bezweifelt Nigeria-Kenner Bergstresser. Der Großteil des Geldes wurde außerdem für die angefallen Prozesskosten aufgewendet. Der ermordete Umweltaktivist Ken Saro-Wiwa beklagte zu Lebzeiten die dramatischen Folgen der ausbeuterischen Erdölgewinnung und der rücksichtslosen Landerschließung des Energieriesen Shell. Solange der Rubel rollt, wird Shell seine umstrittenen Geschäfte im Niger-Delta vermutlich fortführen. Ob der neue Hoffnungsträger Nigerias, Muhammadu Buhari, den Öl- und Geldfluss in die Taschen der Eliten ernstlich aufhalten kann, bleibt abzuwarten. In der Zwischenzeit fließt weiter Öl in die Gewässer des Niger und Geld in die Taschen des Milliardenkonzerns Shell.

Titelbild aus Lizenzgründen entfernt

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