3K – Massenmedien am Montag
Es heißt Sieg oder Befreiung
Die Menschheit gedachte vielfältig dem 70. Jahr seit dem Ende des deutschen Faschismus (- der Globus war noch nicht befriedet, aber das ist eine Geschichte, die den Rahmen von 3000 Zeichen vielfach sprengt). fresh-Herausgeber Simon Inou würdigte in der Wiener Zeitung die gut 1,5 Millionen Afrikaner, welche gegen die Achse ins Feld zogen. Dieses Thema wurde in den USA wie im Vereinigten Königreich einst behandelt, natürlich auch von Schwarzen selbst. In Österreich ist es unterbelichtet. Berührend waren zahlreiche Auftritte ehemaliger Befreier und Shoa-Überlebender. Bekanntere unter ihnen gingen am Samstag vorläufig ein letztes Mal über die Bühne.
Seltsam mutet das offizielle Europa an: Polens Noch-Präsident setzte fast die Nazis und Sowjets gleich. In Graz fragte man sich zurecht, was Lech Wałęsa mit 1945 zu tun hat und kritisierte seine Rede bei einer Sondersitzung des Gemeinderats. Die Innenministerin wiederum konnte sich nicht erklären, wer die Homepage der Mauthausener Gedenkstätte hackt und pervers entweiht, obwohl rechte Straftaten in Oberösterreich Alltag sind. Da ist es ein Wunder, dass nach ewiggestrigen Auftritten und Sanktionen der deutsche Außenminister und die Kanzlerin zu Jubiläumsfeiern nach Wolgograd und Moskau reisten.
Entweihung durch Inflation
Nicht allein Nazi-Hacks und Hakenkreuz-Graffitos entweihen das Andenken an die Opfer von Krieg, Verfolgung, Massenmord: es ist auch die fehlende Kontextualisierung des Grauens und das Vergessen, die Verdrängung durch Inflation. Oder gedenkt heuer im Schatten Stalingrads und der „Duschen“ irgendwer Masuren und Senfgas? Natürlich sind die mörderischen Gräuel von 1939-1945 bedrückender als jene von 1914-1918. Doch keines darf durch andere verdrängt werden. Oft fällt die Beurteilung eines Gräuels unterschiedlich aus, gerade durch die Wortwahl: während der ORF wiederholt deutlich machte, dass 1945 nicht einfach das „Kriegsende“ in Europa eintrat, sondern es sich unbestritten um einen Sieg der Menschlichkeit handelte, wurde dieser Umstand bei anderen ausgespart, verwässert. Die weise Schriftstellerin Christine Nöstlinger sagte zuletzt: „Frei von Schuld zu sein heißt aber nicht, frei von Verantwortung zu sein!“ Für MedienmacherInnen lautet die Verantwortung: es heißt Sieg oder Befreiung, nicht einfach Kriegsende.
In vino veritas
In Mauthausen gedachten auch Korporierte. Sie nahmen heuchlerisch auf Figls und Schuschniggs KZ-Haft Bezug. Das muss einem nicht gefallen, sie müssen einem nicht gefallen. Aber sie sind keine Deutschnationalen, weshalb dieser tweet einer progress-Autorin einfach daneben und verkürzt war, wie die twittersphäre so oft verkürzt ist (siehe den folgenden Shitstorm). Witzig ist die ÖH-Wahlfahrt, wo auch Marlene Brüggemann mitwirkt. A propos Wahl: Erwin Pröll schloss kategorisch aus, 2016 zur Bundespräsidentenwahl zu kandidieren. Er wettete gar eine Flasche Wein gegen Armin Wolf (7:17); der Wettsieger wird nicht König, aber immerhin die Wahrheit finden.
Foto: Gedenkkundgebung österreichischer SozialistInnen und KommunistInnen vor dem sowjetischen Ehrenmal in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, 10. Mai 2015 (Quelle: SJ Oberpullendorf).