Do you know Mike Ashley?
Durch Ausbeutung zum Multi-Millionär
Folgender Gastartikel stammt von Mario Schmidt, der sich derzeit im Rahmen der Sozialakademie der Arbeiterkammer Österreich auf einem Auslandsmonat in London befindet und dort eng mit den ArbeitnehmervertreterInnen und Gewerkschaften zusammenarbeitet und Erfahrungen austauscht.
Auch in Österreich sind „Self-Made Millionäre“ hoch angesehen. Selbst Frank Stronach, der einen peinlichen Auftritt mit senilen Beigeschmack nach dem anderen hinlegt, wird nicht nur hohe wirtschaftliche Kompetenz zugesprochen, nein, in vielen Kreisen auch der rote Teppich ausgerollt.
Mike Ashley ist genauso ein Multi-Millionär aus Großbritannien. Er hat in den 1980er Jahren mit einem kleinen Sportgeschäft angefangen und „arbeitete“ sich reich. Innerhalb kürzester Zeit explodierten die Profite und aus dem kleinen Sportgeschäftsbesitzer wurde ein Großkapitalist. Mittlerweile gehört sein Unternehmen Sports Direct zu den größten Sportartikelhändlern der Welt. Darüber hinaus ist er Eigentümer des Fußballclubs Newcastle United und gerade dabei sich die F.C. Rangers anzueignen. Das Forbes-Magazin stufte ihn 2012 als 15. reichsten Briten mit einem geschätzten Vermögen von 1,5 Milliarden Pfund (2,1 Mrd. Euro) ein.
Sie stellen sich bestimmt die Frage: „Wie ist dies möglich? Wie wird jemand in solch kurzer Zeit so reich? Warum wird er von den Newcastle Fans gehasst?
Ich bin dieser Frage nachgegangen und bin auf einige Antworten gestoßen.
Kennen Sie „Zero-hour-contracts“?
Österreichischen ArbeitnehmerInnen wird dieses Modell eher unbekannt sein. (Der Gewerkschaft sei Dank!)
„Zero-hour-contracts“ sind Arbeitsverträge auf Abruf für „Teilzeitbeschäftigte“. Sie sind eine Folge des liberalisierten Arbeitsmarkts in Großbritannien und Symbol des freudlosen Wirtschaftsaufschwungs. Krankengeld gibt es keines und Urlaubsgeld sehr selten. Weiterhin ist es fast unmöglich seine Freizeit bzw. seinen Urlaub zu planen, da jederzeit das Telefon läuten kann und ein Arbeitseinsatz gefordert wird. In einem Interview in der Frankfurter Allgemeine erzählt eine Arbeitnehmerin mit einem deartigen Vertrag von den dramatischen Zuständen. Ein Monat hat sie 16 Stunden und im nächsten Monat über 40 Stunden zu arbeiten. Um sich das tägliche Leben leisten zu können, muss sie mit mehreren solcher Jobs jonglieren. Arbeitgeber wie McDonalds rühmen sich mit einer hohen Beschäftigungszahl. Bei 2 Stundenschichten pro MitarbeiterIn am Tag ist dies auch kein Wunder. Wenn ein(e) Mitarbeiter(in) dem Abruf des Chefs nicht nachkommen kann (z.B. wegen Krankheit, Pflege, Kinder – warum auch immer) oder sich über den Mangel an Stunden beschwert, werden Stunden gestrichen und somit ein drastischer Einschnitt in den monatlichen Bezug vorgenommen.
Bei Sports Direct, einem Unternehmen mit 23.000 ArbeitnehmerInnen, sind 90 Prozent aller MitarbeiterInnen auf Basis solcher Verträge angestellt. Ausbeutung wie hier beschrieben sind an der Tagesordnung. Außerdem werden vorwiegend junge Frauen aus dem Osten Europas für diese Jobs rekrutiert und in Nottingham angesiedelt. Hier befindet sich das Hauptquartier dieser Firma. Nottingham ist eine Stadt mit einen hohen Anteil an arbeitslosen Menschen. Dies schürt den Nationalismus in dieser Gegend enorm. Ohne der englischen Sprache mächtig zu sein, können Sie sich bestimmt vorstellen wie schwierig es ist, sich gegen Ungerechtigkeiten am Arbeitsplatz zu wehren bzw. Arbeitnehmerrechte wahr zu nehmen. Der Gewerkschaft wurden darüber hinaus sexuelle Übergriffe gemeldet. Diese Frauen zu erreichen und sie über ihre Rechte aufzuklären, damit solche unmenschlichen Praktiken unterbunden werden, ist fast unmöglich, da sie ja von den Stunden und Lohn abhängig sind und in ständiger Angst leben diese zu verlieren. Sex für Stunden aus Angst um die eigene Existenz. Unvorstellbar! Dies ist moderne Sklaverei, jedoch offenbar der politische Wille dieser Unternehmensführung. That´s the Employer!
Ein weiteres Horrorszenario ereignete sich dieses Jahr im Januar. Ein Lagerarbeiter namens Guntars Zarins (52) arbeitet sechs Tage die Woche im Hauptshirebrook Depot. Obwohl er grippeähnliche Symptome hatte, arbeitete er aus Angst vor Stundenkürzung und Arbeitsplatzverlust weiter und ignorierte die Anzeichen. Darauf folgte sein Zusammenbruch und er wurde in das nächste Medical Center gebracht, um angesammeltes Blut aus seinem Gehirn abrinnen zu lassen. Danach ist er ins Koma gefallen. Mittlerweile ist er wieder aus diesem erwacht, jedoch ist er gelähmt mit wenig Aussicht auf Besserung bzw. Genesung. Ein Schock für seine Familie.
Die letzte Horrorgeschichte, wobei ich meine Quelle zu ihren Schutz nicht preisgeben kann, ist das Grausamste und Widerwärtigste das ich je gehört habe. Vor ein paar Wochen brachte eine schwangere Frau ihr Baby im Lager von Sports Direct ohne medizinische Versorgung zur Welt und hat es dabei verloren. Wie eingeschüchtert muss eine junge Frau sein, um eine Schwangerschaft nicht zu melden bzw. solch ein Szenario auf sich zu nehmen? Aus Angst um ihre weitere Existenz hat sie die Schmerzen einfach unterdrückt und jegliche Kontrolle eines Arztes bewusst verabsäumt.
Organisationen arbeiten nun an einer Strategie, um diesen furchtbaren Arbeitgeber und seine unmenschliche Unternehmensführung an den Pranger zu stellen. Ein mehrstufiger Plan steht bereit und startet am Montag dem 27. April 2015 um 20 Uhr (Ortszeit) mit der Sendung “The Secrets of Sports Direct” auf BBC News.
Weitere Maßnahmen werde ich zeitgemäß ankündigen, um den öffentlichen Druck nicht nur in Großbritannien wachsen zu lassen. Solche skrupellosen Maßnahmen fordern internationale Solidarität und Zusammenarbeit. Ich bitte deshalb auch alle meine Freunde, speziell aus dem Fitnessbereich, sich in Zukunft ganz genau zu überlegen, wo sie ihre Sportartikel kauft.
Ich hoffe Sie haben nun ein umfassendes Bild mit welchen Methoden, solch ein Unternehmen wie der Phönix aus der Asche entstehen konnte. Weiterhin bitte ich Sie auch in Zukunft zu überlegen, ob politische Parteien die Deregulierungen bzw. Liberalisierungen des Marktes fordern, wirklich wählbar sind, Einzug in unsere Gesellschaft finden sollten und wohin sich unsere Gesellschaft entwickeln soll.
Quellen: Erzählungen von Betroffenen, BBC News, Links (im Text)