Weckers Zwischenruf aus der Stille
Der in München geborene Liedermacher Konstantin Wecker reagierte auf seiner Facebook-Seite auf die Rede des deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck am Antikriegstag (1.9.):
„Ein kurzer Zwischenruf aus der Stille, weil ich mich so geärgert habe. Vor einigen Wochen habe ich hier das Loblied des Präsidenten Uruguays gesungen, und mir gewünscht, Herr Gauck möge sich mal von José Mujica inspirieren lassen. Den Text nannte ich: »Vom guten Präsidenten«. Wie sollte man nun heute ein Lied über Gauck titeln, jetzt nach seiner unsäglichen Rede in Polen? »Der unbesonnene Präsident« nennt ihn, höflich und kompetent wie immer, Heribert Prantl in seinem Kommentar in der SZ. Der Bundespräsident spreche zu Recht von der Scham über die deutschen Verbrechen, »dabei darf er aber an der russischen Grenze keine Vollbremsung machen«, so Prantl.
Welcher Teufel ist bitte in diesen Pastor gefahren, daß er 30 Millionen sowjetische Kriegsopfer ausklammert bei dieser Rede? Polen war Aufmarschgebiet für den Überfall des Nazireichs auf die UdSSR. Um »Lebensraum im Osten« zu erobern und »jüdischen Bolschewismus« zu vernichten hausten die Nazis grauenvoll, das kann man in jedem Geschichtsbuch nachlesen. Statt dessen erklärt er Putin den Krieg. »Ein Bundespräsident hat eine andere Rolle als der NATO-Generalsekretär«, schreibt Prantl. Er scheint es nur nicht zu wissen. (…)
Da sind Jahrzehnte von Deutschunterricht hinweggegangen, die versuchten zu erklären, wie es sein konnte, daß selbst die vielen klugen kritischen Schriftsteller und Künstler mit Hurra in den Weltkrieg gezogen sind. Da werden Texte gelesen, Diskussionen geführt, Theater aufgeführt, um zu warnen, wie Propaganda funktioniert und wie Massen aufzuhetzen sind – und nun kann man kaum mehr eine pazifistische Stimme in den gängigen Medien finden.
»Wir werden Politik, Wirtschaft und Verteidigungsbereitschaft den neuen Umständen anpassen« – ihre Worte, Herr Gauck. Dann schnallen Sie doch mal schon den Tornister* über (…).“
Passend dazu: „Sage nein! (Antikriegsversion)“ von Konstantin Wecker:
Quelle: „Abgeschrieben“ von junge Welt
Foto: Ufuk Arslan